Kultur: Im grünen Salon
Am Sonntag war im Paradiesgarten der Auftakt der Reihe „Im Garten vorgelesen“
Stand:
Zwischen blauer Akelei und Salbei, vor riesigen Rhododendronhecken in allen Schattierungen von blasslila bis violett – da sitzt es sich gut. Zumal wenn die Vögel dazu zwitschern und die Sonne wärmt. Wenn außerdem noch angenehme Musik und eine wundersame Zaubergeschichte Sinne und Verstand ansprechen, ergibt das ein besonderes Erlebnis. Eine der liebenswertesten Einrichtungen in Potsdam kann die Reihe „Im Garten vorgelesen“ genannt werden. Seit acht Jahren bringt sie Menschen, Natur und Kultur auf ebenso selbstverständliche wie unspektakuläre Art zusammen, häufig in privaten Gärten, gelegentlich auch in einer der vielen öffentlichen Gartenanlagen. Über der unter der Leitung der Urania stehenden Reihe schwebt eine anziehend altmodische Aura aus früheren Zeiten. Auch der zur diesjährigen Eröffungsveranstaltung ausgewählte Paradiesgarten des Botanischen Gartens an der Maulbeerallee entpuppte sich als veritabler Salon im Grünen, der die Vergangenheit friedlich im Heute aufnahm. Der Andrang zum Shakespeare’schen „Wintermärchen“ in der Fassung von Franz Fühmann und zu klassischer Musik im Trio von Flöte, Cello und Gitarre war so groß gewesen, dass es zweimal hintereinander stattfinden musste.
Allein schon der gepflegte, gut beschilderte Garten lohnt den Besuch. Sand-, Stein-, und Heidelandschaften en miniature, Farne, Gräser, Azaleen und Tannen, Erlen, Buchen und Eichen leuchten in allen Grüntönen, wie sie so zahlreich nur im Spätfrühling zu sehen sind. Gut geschützt vor dem von Ludwig Persius erbauten Stibadium, an beiden Seiten des rechteckigen Wasserbeckens sitzen die Zuhörer auf Gartenbänken, um den Vortragenden zu lauschen. Die Musik der drei Damen Christiane Hoch, Flöte, Karin Liersch, Cello, Brigitte Breitkreuz, Gitarre untermalt nicht nur die überraschenden, traurigen und glücklichen Wendungen der Geschichte, sondern verströmt darüber hinaus jenes Quentchen an Empfindung, Bewegung und Melodie, das trockene Worte allein nicht liefern können. Mit kurzen Stücken von Georg Philipp Telemann, Edvard Grieg, Karl Friedrich Abel und anderen erfreuen die Damen die Ohren des Publikums.
Franz Fühmanns Prosafassung von Shakespeares „Wintermärchen“ lässt das Geschehen, den Plot, heil und setzt doch ein paar neue Akzente. Franz Fühmann, einer der bekanntesten Autoren der DDR, wandelte sein anfänglich uneingeschränktes Engagement in eine zunehmend kritische Distanz zu dem System. In seinen letzten Jahren wandte er sich mehr und mehr den Mythen und Sagen zu und eben auch dem Wintermärchen. Einige Längen und Wiederholungen fielen der sinnvollen Kürzung durch den Vortragenden zum Opfer. Klaus Büstrin, der längst den Titel „Vorleser von Potsdam“ verdient hat, verleiht der Geschichte lebendige Anschaulichkeit und Tiefgang. Nur ein klein wenig mehr Ironie hätte die entsprechenden Stellen noch mehr betont. Denn die gibt es durchaus. Etwa dann, wenn Fühmann sarkastisch von den diensteifrigen, feigen Hofräten des Königs erzählt, die alles tun und vor allem sagen, was von ihnen verlangt wird. Oder vom Spitzbuben „Hemdenklau“, der sich ohne Scham am Reichtum der Reichen „bedient“. Erst durch den Mut einer Frau, der alten Zofe Paulina, wird das Unrecht ausgesprochen und das Gute herbeigeführt. Doch mehr noch als deren tapferes Engagement wird ein Wunder benötigt. Dies kann nur eine Sache bewirken. Es ist die Liebe zweier junger Menschen, die sich einzig um ihrer selbst willen lieben. Shakespeare und Fühmann loben das Konzept der Liebe, diese uralte Erfindung, die sich als roter Faden durch die abendländisch-europäische Kulturgeschichte zieht. Wohl keiner anderen Idee verdanken wir so viele poetische und musikalische Werke; ein Gedanke, der zu gut und zu schön ist, um ihn in der Fülle der digitalen und medialen Bilder untergehen zu lassen. Dass dies nicht geschieht, dafür sorgt auch die Reihe „Im Garten vorgelesen“.
Für die Lesung am 23. Juni um 19 Uhr im Rosengarten Villa Sedemund sind bei der Urania noch Karten erhältlich (Tel. 0331-291741). Es liest Moritz Führmann aus Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“.
Babette Kaiserkern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: