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Immer auf den Punkt. Isabelle Rejall, geb. 1985 in Potsdam, studiert seit 2007 bei Thomas Quasthoff an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin.

©  Maria Vaorin

Kultur: „Im Kunstlied ist die Emotion einer ganzen Oper verborgen“

Die Potsdamer Sängerin Isabelle Rejall über das Kleine und Feine in der Musik – Konzert am Samstag in der Französischen Kirche

Stand:

Frau Rejall, „Lieder von Robert Schumann und Zeitgenossen“ ist Ihr Konzert am morgigen Samstag in der Französischen Kirche überschrieben. Ein Abend mit dem deutschen Kunstlied, das heute nicht unbedingt viele Zuschauer lockt. Warum haben Sie sich trotzdem für ein solches Programm entschieden?

Zuerst einmal: Ich finde es sehr schade, dass das Interesse für das deutsche Kunstlied so zurückgegangen und vor allem das Große wie die Oper nur noch gefragt ist. Dabei ist meiner Meinung nach das Kleine und Feine viel interessanter und auch anspruchsvoller, weil allein in einem dieser Lieder die Emotion einer kompletten Oper verborgen ist. Als Sängerin, die das Lied sehr schätzt, fühle ich mich auch verpflichtet, dem Publikum das deutsche Kunstlied nahe zu bringen. Damit verbunden auch die Texte deutscher Dichter wie Nikolaus Lenau und Emanuel Geibel. Denn viele von uns lesen solche Gedichte gar nicht mehr.

Welchen Zeitgenossen von Schumann werden Sie und der Pianist Heinz Chen an diesem Abend zu Gehör bringen?

Wir haben Schubert und Gustav Mahler auf dem Programm, Brahms und natürlich muss auch ein Lied von Schumanns Frau Clara dabei sein. Und Hugo Wolf nicht zu vergessen.

Warum hat es das deutsche Kunstlied beim Publikum eigentlich so schwer?

Vielleicht weil es nicht die große Oper ist. Und vielleicht fehlen da auch die Geduld und die Ruhe in unserer hektischen Welt, um sich darauf einzulassen. Denn sich als Hörer dem Kunstlied hingeben bedeutet auch, dass man sich anstrengen muss. Aber mittlerweile hat sich das schon verändert, zeigen immer mehr Leute Interesse für diese Musik.

Was hat bei Ihnen ausgerechnet das Interesse für das deutsche Kunstlied geweckt? Haben da auch Ihre Lehrer wie Christine Schäfer und derzeit Thomas Quasthoff Einfluss gehabt?

Weitestgehend schon. Vor allem durch Thomas Quasthoff ist dieser Einfluss schon sehr groß und was ich bei ihm lerne, das ist schon enorm. Da widmen wir uns im Unterricht sehr intensiv dem deutschen Kunstlied. Ich finde allerdings auch, dass für einen jungen Künstler am Anfang nicht gleich die große Oper im Repertoire stehen sollte, sondern das Kunstlied. Um einfach die Stimme zu kultivieren und sie nicht gleich zu ruinieren. All die gestalterischen Mittel, die man beim Kunstlied lernt, helfen einem später auch, wenn man sich später für das Opernfach entscheidet. Sie machen es im Grunde auch leichter.

Und was ist für Sie als Sängerin die große Herausforderung am Kunstlied?

Tatsächlich binnen weniger Sekunden in der Emotion des jeweiligen Liedes sein. Oft gibt es ja gar kein Vorspiel, da setzt der Gesang sofort ein. Oder das Vorspiel auf dem Klavier ist nur sehr kurz. Im Grunde muss schon alles da sein, bevor das Klavier überhaupt beginnt.

Was meinen Sie mit alles muss da sein?

Dieser Wille, das Lied so zu interpretieren, dass der Zuhörer, vielleicht schon getragen vom Klavier, jetzt durch die Stimme in eine andere Welt versetzt wird. Ihm diese kleinen Geschichten mitgeben zu können, die mal berühren, mal aber einfach auch nur lustig sind.

Hatte für Sie das deutsche Kunstlied vom ersten Hören an diesen Reiz, diese Faszination oder mussten Sie sich das alles erst erarbeiten?

Es war wirklich so, dass ich mir den Zugang erst erarbeiten musste. Ich hatte zwar schon immer ein großes Interesse am Kunstlied, allerdings war es schon ein längerer Weg, diese Emotionen, die in jedem dieser Lieder verborgen sind, als Sängerin auch zu knacken. Einfach diesen Willen zu haben, das entsprechend zu artikulieren, zu interpretieren. Wenn man das erst einmal geschafft hat, immer genau auf dem Punkt zu sein, in jedem Lied die Emotion wachzurufen, dann ist das eine große Faszination. Gleichzeitig bedeutet das aber auch eine entsprechende Anstrengung, die einem ziemlich viel abverlangt.

Ist es schwieriger mit dem Kunstlied in seiner kleinen Form, beschränkt auf Klavier und Gesang, auf der Bühne zu überzeugen als mit einer Opernarie, wo begleitend ein ganzes Orchester agiert? Verlangt das nicht auch viel mehr von Ihnen?

Klar, wenn da ein Orchester spielt, beeindruckt das den Zuhörer, weil da eine ganz andere Energie übertragen wird. Allerdings finde ich es als Künstler auch sehr reizvoll einfach mal nichts außer das Klavier zu haben. Denn gleichzeitig präsentiert man so dem Zuhörer so viel mehr von sich, kann auch viel mehr geben.

Berührt die Oper dann also stärker das Herz und das Kunstlied vor allem den Kopf?

Oh, ich glaube das Kunstlied erreicht beides. Sowohl das Herz als auch den Kopf. Aber durch diese Verbindung von Melodie und Text geht das manchmal sogar noch stärker ans Herz, weil der Zuhörer beim deutschen Kunstlied ja tatsächlich hört und merkt, was da passiert. Da wird viel mehr spürbar, als wenn da nur eine einzige Emotion wie bei einer Melodie in der Oper angerührt wird. Natürlich ist das Kunstlied sehr anspruchsvoll und verlangt Konzentration nicht nur von den Künstlern, sondern auch vom Zuhörer. Aber ich finde, damit kann man ein Publikum nachhaltig begeistern und berühren.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Lieder von Robert Schumann und Zeitgenossen“ mit der Mezzosopranistin Isabelle Rejall und Heinz Chen am Klavier am morgigen Samstag um 19 Uhr in der Französischen Kirche am Bassinplatz. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten

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