Drei Potsdamer Sound-Künstler in der fabrik: Im Mund des Performers
Die Potsdamer Klang-Künstler Cia Rinne, Sabine Vogel und Alex Nowitz mit Unerhörtem in der fabrik.
Stand:
Wie klingt eine Stadt? Potsdam, sagt Sabine Vogel, klingt vor allem nach Wasser. Das ist hier ja überall, auch wenn man es oft kaum wahrnimmt. Oder eben so hinnimmt. „Hört mal hin!“, will Sabine Vogel sagen. Sie ist Flötistin, Komponistin – und macht Environmental Sound Art. Für ihr jüngstes Stück, mit dem sie am heutigen Samstag bei „Unerhört“ in der fabrik auftritt, hat sie – als es jetzt so eiskalt war – den Heiligen See spielen lassen. Unter dessen Eisschicht hat sie Unterwasser-Mikrofone gesteckt– und plötzlich klackerte es. Das war der Wind, der das Schilf am Ufer bewegte. Unter Wasser und Eis hat das einen nie gehörten Sound geschaffen.
Mit solchen Momenten arbeitet Vogel, sie fängt dann an, das Schilf zu spielen. Oder an die Havel zu fahren, und Klangschalen zwischen das schmelzende Eis zu setzen. Schalen und Eis fingen an, miteinander zu spielen, ihre ganz eigene Havelmusik. So arbeitet Vogel eigentlich immer. Sie raus geht raus, meist ohne Idee, und beginnt, mit dem Ort, der Natur zu interagieren. „Ich tune mich dort ein, also suche mir einen Platz mit viel Stille – und versuche erstmal, den mit allen Sinnen aufzunehmen. Zu hören, was ist dieser Ort?“ Das verstärkt sie dann, etwa indem sie auf Schilfhalmen spielt, oder Bäume verbindet, indem sie indische Bambusflöten zwischen die Bäume hängt, mit einer Angelschnur verbunden. Der Wind wird dann zum wichtigen Faktor, er spielt die Flöten, aber auch die Schnur. Darum geht es ihr: In der Klangumgebung, die sie vorfindet, eine neue zu schaffen – „die sich aber bezieht auf den Ort, und dann auch verschmilzt.“ Der Ort spielt sich selbst, könnte man sagen.
Musik und Tanz werden wieder eins
Fast da setzt auch Alex Nowitz an. Er spielt seine Stimme selbst, verändert sie, tritt mit ihr in Dialog. Er erweitert sie – nicht nur elektronisch, sondern auch um Bewegung und Tanz. Und um Sprache. Die letzten 400 Jahre, sagt Alex Nowitz, haben wir uns immer nur um die Vokale gekümmert, wenn es um die Gesangsstimme geht. Zeit, sich mal mit den Konsonanten auseinanderzusetzen, dem perkussiven, geräuschhaften Charakter der Sprache. „Mundfundstücke“ heißt das Stück, eines von mehreren, die er am heutigen Samstag bei „Unerhört“ in der fabrik performen wird. Performen muss man schon sagen, denn was Nowitz macht, ist gestikkontrollierte Live-Elektronik. Oder Klang-Tanz. „Mich interessiert genau das dazwischen, wo sich die einzelnen Genres nicht mehr so leicht definieren lassen“, sagt er.
Bei den Griechen war das noch eins, Musik und Tanz – erst im Zuge der Musikgeschichte hätten sich beide separiert. Er will sie wieder zusammenführen. Auf moderne Art. Auch deshalb, weil ihn das Unerforschte schon immer am meisten angezogen hat. Deshalb ist er, der Sänger, eben Vokalperformer geworden. Einer, der immer nach dem Dialog sucht: „Ich frage ich mich immer: Wer ist – neben dem Publikum – mein Mitspieler? Und so verknüpft er seine Live-Stimme mit einer manipulierten. Dafür hat er zwei live-elektronische Instrumente entwickelt, den Stimmflieger und das Strophonion. Er spielt sie etwa mit Wii-Controllern, wie man sie für Computer nutzt. Die sind kabellos und messen Bewegungen im dreidimensionalen Raum. Die Signale werden an einen Computer gesendet und dann in musikalische Parameter umgesetzt: Lautstärke, Tonhöhe und so fort.
Der Zweck dahinter: „Ich kann meine im Moment, also live, samplen“, sagt Alex Nowitz, sie also bearbeiten, während er performt. Und das nicht nur stereo, sondern mittels acht verschiedener Lautsprecher, die rund ums Publikum herum angebracht sind. „Das ist, als säße man im Mund des Performers“, sagt Nowitz, der auch beim Sprechen immer ein wenig wirkt, als würde er nebenbei seine Gedanken ständig neu sortieren, überarbeiten. Höchste Konzentration.
Sprachen als Tonleitern
Das ist etwas, das ihn mit Cia Rinne verbindet, eine Frau, die wirkt wie purer Geist. Die so schnell spricht, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie schnell sie erst denkt. Sie macht Wortkunst, bei der sie in rasendem Tempo zwischen den Sprachen Englisch, Deutsch, Französisch und manchmal Russisch, switcht. Sie spielt mit den Klang-Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen, mit denen sie aufgewachsen ist, und das auf von Fluxus und Dada inspirierte Art.
Es ist minimalistische Poesie, abstrakt, es geht ihr um die Klänge der Sprache. Aber sie hat Philosophie studiert – Nonsens findet sich nicht, stattdessen mal eine Neuinterpretation von Stockhausens Rede über „Enemies“, Feinde. Ihre Texte funktionieren auf – mindestens – drei Ebenen: Wie Grafiken, wenn man sie liest, wie Klangkunst, wenn man sie hört – und eben linguistisch-inhaltlich. Angefangen hat sie mit den optischen Effekten der Sprache, was man aus dem Fluxus kennt – „das war gar nicht zum laut lesen gedacht, ich hielt das sogar für unmöglich, nur mein Verlag sah das anders“, sagt Rinne. Also las sie laut – und macht seitdem mehr und mehr Klang aus Sprache. Oft aber geht es auch bei ihr um Orte. Wie Potsdam bei ihr wohl klingt?
Cia Rinne, Sabine Vogel und Alex Nowitz sind zu hören heute Abend um 20 Uhr in der fabrik, Schiffbauergasse.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: