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Kultur: Im Namen der Romantik

Gernot Schulz dirigierte die Brandenburger Symphoniker im Nikolaisaal

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Gernot Schulz dirigierte die Brandenburger Symphoniker im Nikolaisaal „Die Welt muss romantisirt werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identificirt “ schrieb Novalis, der Hochfahrendste aller romantischen Dichter. Sein Romantisierungsprogramm hatte Erfolg, kaum je brachte eine so große Gruppe von Künstlern aller Sparten derartig viele, reich inspirierte Werke hervor wie die so genannten Romantiker zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wobei stets zwischen der aufrührerischen, grenzenüberschreitenden Frühromantik, der beschaulichen Spätromantik sowie epigonalen Stückchen unterschieden werden sollte. Wie auch immer, das Konzert der Brandenburger Symphoniker im Nikolaisaal mit dem Titel „Faszination Romantik“ erwies sich als rechter Publikumsmagnet. Der großartige Dirigent Gernot Schulz verlieh den romantischen Musikstücken ein modernes Gewand. Ins Zentrum der romantischen Welt zielte der wunderbare Bariton Steffen Lachenmann. Ob die sonntäglichen Salonplaudereien des Moderators Clemens Goldberg Substanzielles beitragen, sollte jeder selbst entscheiden. Für den Dirigenten war dies wohl so ungewohnt, dass er einmal schwungvoll auf die Bühne trat und dort überraschend mit Herrn Goldberg zusammentraf, der fast ebenso schwungvoll von der anderen Seite gekommen war, um seinen Part über die Bühne zu bringen. Das Publikum allerdings erfreute sich an der Unterhaltung aller Art, dass es immer wieder reichlich Applaus spendete. Wenn auch die „Rosamunde-Ouvertüre“ von Franz Schubert nicht als romantisches Werk schlechthin gelten kann, als Introduktion zu einer musikalischen Soiree im Namen der Romantik passt sie allemal. Festlich, duftig, heiter – so recht als Ballettmusik geeignet, vor allem, weil Dirigent Gernot Schulz, auch ein langjähriger Schlagzeuger der Berliner Philharmoniker, die verschiedenen Tanzrhythmen mit lockerer Präzision hervorbringt. Nicht unproblematisch erscheint das Vorhaben von Johannes Brahms, Lieder von Franz Schubert für großes Orchester zu vertonen. Der intime Rahmen des kleinen (Freundes-)kreises, für den die Lieder geschrieben waren, wird dabei zugunsten des großen Konzertsaales verlassen. Doch dank des wohlgestalteten Vortrags von Steffen Lachenmann gelingt es, die Waage zwischen individuellem Ausdruck und Bühnenpräsenz zu halten. Der junge Sänger legt mit edlem Timbre und zurückhaltender Phrasierung viel schöne Schlichtheit in die Lieder, die zweifellos zu den erzromantischen Schätzen zählen – auch in der erfreulich dezenten Orchester-Instrumentierung. Ein ideales Stimmungsbild zeichnete er im „Greisengesang“ nach einem Text von Friedrich Rückert, das zudem berückend von Celli, Flöte und Fagott instrumentiert wurde. Die Bekanntschaft mit Robert Schumanns Ouvertüre, Scherzo und Finale e-Dur op. 52 lohnt zweifellos, erscheint es doch als Inbegriff der Schumannschen Rhythmik. Der typische Spring- und Holperrhythmus zieht durch das Werk. Die Brandenburger Symphoniker und Gernot Schulz machten daraus eine Art Miniatursymphonie voll spritziger Frische, wobei den Streichern im Scherzo ein besonderes Lob gebührt für ihr lebendiges, homogenes Spiel. Vier „Ungarische Tänze“ von Brahms bildeten mit elegant-extravagantem Tonfall einen mitreißenden Abschluss – das „Romantisiren“ der Welt war zumindest an diesem Ort, dem Nikolaisaal in Potsdam, sehr schön gelungen. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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