Kultur: Im Regen stehen gelassen
Musikalisch-historischer Abend beim Brandenburgischen Kulturbund – finnische Komponisten in Potsdam und Berlin
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Musikalisch-historischer Abend beim Brandenburgischen Kulturbund – finnische Komponisten in Potsdam und Berlin Just zur „Interkulturellen Woche“ und anlässlich der Verlängerung städtepartnerschaftlicher Verträge mit Finnland bereitete die Arbeitsgemeinschaft Brandenburgische Musikgeschichte im Brandenburgischen Kulturbund einen musikalisch-historischen Abend vor. Der Termin im Alten Rathaus war gesetzt, „die Finnen wollten das so“. Wein stand bereit, sogar an ihre Nationalhymne hatte man gedacht. Aber die Oberen Potsdams entschieden kurzfristig anders. Man ließ Veranstalter, Künstler und den Berliner Wolfgang Wirth, sonst von Kartzow her brandenburgisch-ausländische Musikbeziehungen beleuchtend, glatt im Regen stehen. Dabei hätten sogar die örtlichen „Funktionäre“ an diesem Abend viel lernen können. So war das Publikum an Zahl gering, doch äußerst dankbar für eine gute Stunde Musikgeschichte in stimmungsvoller Praxis. Jelena Ashkenasi und Werner Scholl – Stammbesetzung der Kartzower Sommerkonzerte – umrahmten die Veranstaltung mit Violine und Klavier. Zur Darstellung des Werkes von Ernst Mielck, mit 22 Jahren verstorbener Lieblingsschüler Max Regers und brillanter Vertoner Fontanescher Gedichte, ward die Sopranistin Ute Beckert hinzugebeten. Sie hatte einige davon bei Forschungen zu ihrer Diplomarbeit wiederentdeckt, sang also „Das Fischermädchen“ sowie „Heimat“ entsprechend innig. Max Bruch machte Mielck mit dem Märker bekannt. Wie jüngst bei „Andersen in Potsdam“ bezüglich Dänemarks, so teilte Wolfgang Wirth diesmal Erstaunliches über den deutsch-finnischen Musikproporz im 19. und 20. Jahrhundert mit. Keine Einbahnstraße, wenn Gemüt zu Gemüt kommt: In beiden Fällen fühlten sich die Komponisten zuerst von der deutschen Romantik angezogen: Der finnische Klarinetten-Virtuose Crusell (1775-1838) schrieb seine Oper „Die kleine Sklavin“ auf Anregung von Mendelssohn-Bartholdy und Weber, Krohn setzte sich für Wagner und Schumann ein. Carl Ludwig Lithander, langjähriger Organist zu Greifswald, war eher von Beethoven beeinflusst, dessen 9. Sinfonie wiederum Robert Kajanus in Helsinki zu Triumphen führte. Zum „Ausgleich“ schenkte ihnen der Hamburger Frederik Pacius (1809-1891) eine Nationalhymne, trug auch Geibels „Loreley“ als Oper ins Land – Sibelius meinte, dieser Deutsche würde finnischer als alle Finnen fühlen. Zwei Sätze aus der Suite im alten Stil op. 93 erinnerten an Regers Einfluss auf Suomis Nachwuchs. Helsinki - Berlin und retour, eine für Komponisten, Interpreten wie auch für das namhafte „Lehrpersonal“ unendliche Geschichte. Ferrucio Busoni lehrte 1888 Komposition in Helsingfors, später etliche Nordlichter in Berlin, darunter Selim Palmgren, den „Chopin des Nordens“. Jean Sibelius (1865-1957) selbst studierte bei Albert Becker, Dirigent am Berliner Domchor und Vater des letzten Potsdamer Glockenisten; Reger widmete dem Sohn Otto eines seiner Werke. Lehrer und Schüler brachten in der Potsdamer Heiligengeistkirche eine Fuge g-Moll und die Sonate für Orgel und Violine des Seniors zu Gehör. Wie dieser nun Armas Järnefelt (von ihm wurde eine wundervolle Romanze gespielt) das Komponieren lehrte, so schrieb Sibelius für Arvid Järnefelt – ein Verwandter von Armas – die Bühnenmusik zu „Kuolema/Der Tod“, daraus der elegisch-dynamische „Valse Tristess“ zu hören war. Die Oper machte ihn auf einen Schlag berühmt. Schöne Musik, Harmonien findend und suchend, finnischer Zauber, wie Oskar Merikantos schlichte „Kinderweise“. Der Brandenburgische Kulturbund betreibt seit Jahren solche historischen Studien. Wäre es nicht eine Möglichkeit, Potsdam eine künstlerisch gestaltete „Besuchergalerie“ von diesen berühmten Persönlichkeiteneinzurichten? Dann würden sie auch den Touristen nicht länger verborgen bleiben. Gerold Paul
Gerold Paul
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