
© Thilo Rückeis
Von Dirk Becker: Im Schloss der Königin
Carl Hölzels „Schloss Still im Land“ von 1910 ist im Luisenjahr in einer Neuausgabe erschienen
Stand:
Im Vorwort hört man schon das Säbelrasseln. Ein befremdlicher Ton, bei dem der Vorwurf von „Zucht- und Sittenlosigkeit“ noch am harmlosesten klingt. Da spuckt einer äußerst deftig patriotische Töne. Vom „Ansehen der Nation“ ist da die Rede, von „der Wiedergeburt Preußens, die glückliche Neugestaltung des deutschen Reiches unter möglichster Ausschaltung aller fremden Elemente“. Von der „Zeit schmachvoller Erniedrigung unseres Volkes“ lamentiert Carl Hölzel in seinem Vorwort zu „Paretz Schloss Still im Land“. Es wundert kaum, dass dann auch immer wieder Worte wie „Volk“, „Vaterland“, „Einigkeit“, „Größe“ und „Kampf“ zu lesen sind.
Matthias Marr, einer der Herausgeber der Neuauflage von „Paretz Schloss Still im Land“, hatte seine Bedenken, ob Hölzels Vorwort „im fürchterlichsten Stile eines kaisertreuen deutschen-nationalen Patriotismus“ in einer Neuausgabe überhaupt noch zeitgemäß wäre. Seine Entscheidung, dass dieses Vorwort „dem heutigen Leser nicht vorenthalten werden soll“, kann nur als zwingend bezeichnet werden. Bedenklich erscheinen einem da eher Marrs Bedenken, einen derartigen Verzicht überhaupt in Betracht gezogen zu haben. Denn ohne Hölzels Vorwort wäre die Neuauflage von „Paretz Schloss Still im Land“ nur eine betuliche Heimattümmelei im blumig-gestelzten Duktus geworden. Eine harmlose Verklärung von Paretz und dem dortigen Schloß samt Park, in dem die so verklärte Königin Luise mit ihrem Gatten, Friedrich Wilhlem III., einen, so Hölzel, „würdigen Sommersitz“ finden konnten. Aber dieses Buch, das Carl Hölzel im Jahr 1910, anlässlich des 100. Todestages von Luise veröffentlichen ließ und das dann zahlreiche weitere Auflagen erfuhr, ist mehr als nur eine harmlose Reise- und Schlossbeschreibung. Hier wird der „Luisengeist“ beschworen, der, so Hölzel, ein „deutscher Geist“ ist, „der die Ehre des Vaterlandes über alles andre, namentlich über den persönlichen Vorteil stellt; ... aber doch ein nationaler Geist, dem alles politisch Internationale verhaßt ist und sein muss“. Ein Geist, dem die Zukunft gehöre. Welche Zukunft eine solche Geisterbeschwörung brachte, zeigte der Erste Weltkrieg. Dieser überheblich-nationalistische, dieser aggressive Ton, der als das Präludium für diese Katastrophe angesehen werden kann, er ist schon vier Jahre zuvor in dem kurzen Vorwort des Dorfschullehrers Carl Hölzel zu hören.
Mit diesem Ton im Ohr liest man dann auch die Kapitel „Einleitung: Von Werder über Ketzin nach Paretz“ oder „Aus der Paretzer Vorgeschichte“ und die ausführlichen Beschreibungen von Dorf, Schloss und Park in Paretz. Man ist sensibilisiert für die nationalistischen Zwischentöne, die da in den naturromantischen und die Luise so verklärende Beschreibungen immer wieder zu vernehmen sind. Und so muss Matthias Marr widersprochen werden, der glaubt, dass der Leser nach Hölzels Vorwort doch noch positiv überrascht werde. „Mit leichter Feder“, so Marr, „streift der Autor durch die Geschichte von Paretz, die uralte etwas kürzer, die der Zeit um 1800 dafür um so ausführlicher behandelnd und lässt das Ganze dann mit einem bemerkenswerten Plädoyer für die Schönheiten der Mark Brandenburg, insbesondere die der Gegend um Potsdam, ganz im Stile heutigen touristischem Marketings, ausklingen.“ Ganz so verklärend und verharmlosend sollte nun Hölzels „Schloss Still im Land“ auch im diesjährigen Luise Jubel- und Gedenkjahr nicht gelesen werden.
Davon abgesehen, ist der Nachdruck im Berliner Stapp Verlag, der sich auf brandenburgisch-preußische Themen spezialisiert hat, nur zu begrüßen. Denn Hölzel, der nach drei Jahren als Lehrer in Paretz im Mai 1910 nach Zaatzke bei Wittstock/Dosse ging, gelingt es, abgesehen von seinem nationalistisch verdrehtem „Luisengeist“-Wahn, den Leser seines knapp 100 Seiten langen Berichts mit auf eine Reise in die Vergangenheit von Paretz und der Umgebung zu nehmen. Detailgenau und fast schon pedantisch-akribisch seine Beschreibungen des Schlosses und der zahlreichen Zimmer. Gewürzt wird das alles durch zahlreiche, verklärende Anekdoten um Luise, der sogenannnten Königin der Herzen.
So erfährt man aber auch vom Dorfe namens Knoblauch, einst in der Nähe von Paretz gelegen, deren Bewohner Mitte der 1960er Jahre umgesiedelt und das Dorf selbst eingeebnet wurde, weil Erdgas aus einem damals angelegten Gas-Untergrundspeicher ausgetreten sein soll. Neben den „Erläuterungen und Korrekturen“, die allein über sechs Seiten umfassen, hat Herausgeber Marr auch ein Kapitel „Paretz 1910 bis 2010“ eingefügt, in dem er die wechselvolle Geschichte des mittlerweile wieder sanierten und restaurierten Schlosses beschreibt. All das weckt schon bald die Lust, Paretz und sein Schloss ganz persönlich zu entdecken.
Carl Hölzel: Schloss Still im Land. Paretz 1910 in Wort und Bild, Neuausgabe 2010, Stapp Verlag Berlin, 116 Seiten mit 17 Abb., 16,80 Euro
Dirk Becker
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