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Avantgardistische Tonakrobaten aus gegensätzlichen Welten: Stimmhorn und Huun-Huur-Tu.

©  Agentur

Von Babette Kaiserkern: Im Sog des Sonnenpropellers

Stimmhorn & Huun-Huur-Tu: Alpenländische Avantgarde trifft tuwinische Folklore

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In unserer rundum vernetzten Welt dürfte es fast unmöglich sein, noch weitgehend unbekannte Musik zu finden. Eine der letzten Entdeckungen auf den internationalen Musikpodien war die Gruppe Huun-Huur-Tu aus der Autonomen Republik Tuwa. Das exotische Ensemble, dessen Name soviel wie Sonnenpropeller bedeutet, produzierte seit der Gründung im Jahr 1992 bereits elf CDs. Die Musik kündet von Pferden, Reitern, Steppenweite und Naturklängen aus einer Region fern bekannter Zivilisationswege. Ungewöhnliche Instrumente wie die Pferdegeige (Igil), dreisaitige und viersaitige Gamben, Schamanentrommel (Tungur) und der Obertongesang erzeugen archaisch anmutende Klangbilder. Tuwinische Kehlkopfsänger können die natürlich mitschwingenden Töne so verstärken, dass sie als eigene sphärische Melodie erscheinen. Mitunter werden so zwei oder drei Töne gleichzeitig produziert. Huun-Huur-Tu beschränkt sich aber nicht auf die Wiedererweckung folkloristischer Traditionen, sondern öffnet sich auch gerne der westlichen Moderne. Dafür experimentierten die südsibirischen Sänger mit Musikern wie Frank Zappa, Ry Cooder und dem Kronos Quartett.

Ein besonderer Höhepunkt war die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Ensemble stimmhorn. Das seit 1996 bestehende Duo stellt ein absolutes Unikum dar. Weltweit existiert keine vergleichbare musikalische Verbindung. Sänger Christian Zehnder ist Fachmann für Jodeln, Obertongesang und so seltsame selbsterfundene Instrumente wie Wippkordeon und Laudola. Bläser Balthasar Streiff erweckt das urigste europäische Gebirgsinstrument zu neuem Leben. Das Klassische Alphorn, Doppelalphorn und Büchel (kleines Alphorn) spielt er wie kein zweiter, außerdem noch viele andere Blasinstrumente wie Cornet, Tuba, Zink, Ziegenhorn sowie das selbst konstruierte Alpofon. Mit eigenen Kompositionen führt er alpenländische Traditionen in die Gegenwart.

Gemeinsam produzierten die beiden avantgardistischen Tonakrobaten außergewöhnliche CDs, die - ähnlich wie die Musik von Huun-Huur-Tu - von Landschaft und Umwelt inspiriert wurden. Titel wie "melken", "schnee", "inland" und "igloo" künden davon. "Stimmhorn ist das Beste, was seit langem über die Alpen zu uns auf die Bühne geklettert ist ein bizarres Klang- und Bildszenario, intelligent und ironisch, affektgeladen wie eine Oper, traurig wie ein Piazzolla-Tango und so geheimnisvoll wie die Löcher im Schweizer Käs´", schrieb ein begeisterter Kritiker der Süddeutschen Zeitung. Für ihre innovative Experimentierfreudigkeit wurde stimmhorn mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Im Jahr 2002 begegneten sich Huun-Huur-Tu und stimmhorn erstmalig - ein ton- und stimmgewaltiges Ereignis, das in dem ARTE-Film "Propeller des Lichts" dokumentiert wurde. Im Rahmen der Potsdamer Crossover Konzerte trifft die alpenländische Avantgarde erneut auf die tuwinische Folklore. Die Zuhörer können gespannt sein auf ein Gipfeltreffen zweier Ensembles, die bei aller Unterschiedlichkeit auch vieles gemeinsam haben.

21. März, 20 Uhr, Großer Saal: Crossover Konzert

Babette Kaiserkern

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