Kultur: Im Stil der alten Meister
Baiba Skride und Lauma Skride im Nikolaisaal
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In Potsdam ist die lettische Geigerin Baiba Skride keine Unbekannte mehr, seitdem sie bei einem Konzert vor vier Jahren das Publikum mit Violinkonzerten von Mozart und Peteris Vasks in Bann schlug. Dass es ihr erneut gelang, den Nikolaisaal zu füllen, war trotz ihrer hohen Reputation nicht unbedingt vorhersehbar. Schließlich stand keine große Sinfonik sondern Kammermusik in minimaler Besetzung als Duo für Klavier und Violine auf dem Programm.
Gemeinsam mit der Pianistin Lauma Skride offerierten die Schwestern, Lauma in leuchtendem Scharlachrot und Baiba mit beigerosa Volants, Marksteine der klassischen Musik und der virtuosen Violinliteratur von Schubert, Brahms, Beethoven und Béla Bartok. Dass Franz Schubert als einziger unter diesen vier Komponisten ein gestandener Geigenspieler war, gibt seiner Sonate für Violine und Klavier g-Moll besonderes Flair. Ihre melodischen Violinfigurationen fügen sich mit den klavieristischen Passagen harmonisch zusammen, bilden gemeinsam bewegte Formen. Der quasi organische, symbiotisch erwachsene Dialog setzt sich im langsamen Teil fort. Dessen träumerisches Anfangsthema lässt die Fülle seltener Klangfarben und Ausdrucksnuancen, die von den Musikerinnen sensibel ausgeleuchtet werden, nicht gleich vermuten.
Mit der zweiten Rhapsodie von Béla Bartók stürmen raffinierte Klänge modernistisch sublimierter Zigeunermusik durch den Nikolaisaal. Die nach der traditionellen Csárdás-Form gebildeten Sätze fordern ein Höchstmaß an technischer und musikalischer Virtuosität, elegisch-schmelzend im langsamen Lassù, mit schwindelerregenden geigerischen Tollkühnheiten im wilden Friss.
Vergleichsweise niedlich wirkt nach der Pause ein Strauß ungarischer Tänze von Johannes Brahms. Doch auch sie warten in Joseph Joachims Fassung für Violine und Klavier mit violinistischen Raffinessen auf. Was Baiba Skride Gelegenheit bietet, auf ihrer Stradivari „Ex Baron Feilitsch“ souveräne Phrasierungskunst und samtig-brillante Klangpracht zu zelebrieren.
Ludwig van Beethoven Violinsonaten stehen meist ein wenig im Schatten, auch wenn er mit der „Kreutzer-Sonate“ ein Monument geschaffen hat. Wunderlich, widerborstig, bizarr – so hießen einige zeitgenössische Urteile dazu. Es dauerte einige Zeit, bis der hohe Rang dieses Kunstwerks anerkannt wurde. Die Anmut des zweiten Satzes mit seinen magischen, nachtdunklen Variationen, das rauschende Presto-Finale mit seiner blitzenden Tarantella-Raserei verfehlen diesmal ihre Wirkung nicht. Mit ebenso energischem wie sensiblem Zugriff gestalten Baiba und Lauma Skride ein hell-dunkles Tryptichon im Stil der alten Meister. Das begeisterte Publikum wird mit zwei Zugaben, Fritz Kreislers „Schön Rosmarin“ und dem fünften Ungarischen Tanz von Brahms, beschenkt. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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