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Kultur: Im Traumlabyrinth

Martin Mosebach liest in der Villa Quandt

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Das Jahr 2007 war ein gutes Mosebach-Jahr. Der sowohl hoch gelobte als auch rüde verrissene Roman „Der Mond und das Mädchen“ erschien, mit dem Büchner-Preis wurde Martin Mosebach der wohl bedeutendste Literaturpreis in Deutschland verliehen. Seine Rede bei der Preisverleihung hat ihm den vorschnellen Vorwurf der „Geschichtsklitterung“ eingebracht, die Wiederauflage seiner Essaysammlung „Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind“ ließ seine Gegner aufheulen und ihn lauter als zuvor als Erzkatholiken geißeln. Im Oktober widmete „Literaturen. Das Journal für Bücher und Themen“ die Titelgeschichte dem Schriftsteller aus Frankfurt am Main. Was Sigrid Löffler da auf vier Seiten über Martin Mosebach zusammentrug, war wirklich glanzvoll. Freundlich war es nicht.

Geliebt und gehasst und ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Den Verkaufszahlen der Mosebachschen Werke und der Bekanntheit des Autors hat das nicht geschadet. Eher im Gegenteil. Und mit erstaunlichem Gleichmut reagierte der Schriftsteller in Interviews auf die Vorwürfe. Morgen ist Martin Mosebach zu Gast beim Brandenburgischen Literaturbüro in der Villa Quandt, um dort aus seinem Roman „Der Mond und das Mädchen“ zu lesen. Sein zweiter Besuch innerhalb von drei Monaten in Potsdam. Anfang November hatte er in der Arche seinen Essayband „Häresie der Formlosigkeit“ vorgestellt.

Als „Sommernachtstraum im steinernen Frankfurt“ wird der Roman „Der Mond und das Mädchen“ auf dem Buchrücken gepriesen. Das hat manchen Kritiker dazu verleitet, Parallelen zu Shakespeare zu suchen. Mosebach erzählt hier die Geschichte des jungvermählten Bankangestellten Hans und seiner Frau Ina, denen seltsame Menschen und seltsame Dinge in ihrer ersten gemeinsamen Wohnung am Frankfurter Hauptbahnhof geschehen. Die einen lobten an diesem Buch Mosebachs „präzisen Stil und seine virtuose Komik“, andere nannten es eine schöne Novelle, die zum Roman „aufgeplustert“ wurde oder nur eine antiquierte Stilübung. Doch wer sich unbefangen davon auf die knapp 200 Seiten einlässt, taucht in eine Erzählwelt von einer wunderbar luftig leichten Sprache ein.

Mosebach ist ein Künstler des feinen Stils. Ein Erzähler des Beiläufigen. Man radelt mit Hans durch das unter der sommerlichen Hitze wie erstarrte Frankfurt, besichtigt mit ihm verschiedene Wohnungen, besucht die neuen Nachbarn, lauscht im Innenhof und wundert sich nicht über das Panoptikum der so gegensätzlichen Typen, die dort regelmäßig die Nächte durchsitzen und ihre seltsamen Gespräche führen. Man spürt die Lethargie und aufsteigende Verzweiflung von Nina, die in der neuen Wohnung langsam einem stillen Wahnsinn anheim zu fallen droht.

Alles wirkt so selbstverständlich, je bizarrer die Handlung wird. Und erst wenn man schon viele der Seiten gelesen hat, merkt man, dass dieses Beiläufige nur scheinbar Oberfläche ist. Dass darunter noch viel mehr steckt, als man am Anfang zu glauben meinte. Mosebach hat mit seiner feinen, gelegentlich abschweifend-beiläufigen Sprache eine Art Traumlabyrinth geschaffen, in das sich nicht nur Hans und Ina, sondern auch der Leser zu verfangen scheint. Und wie so oft in Träumen, ist es die eigene Passivität, die das zuerst Süße allmählich in Horror umschlagen lässt. So schaukelt die Handlung in dem sommerschwülen Hinterhofnächten auf eine Katastrophe zu, die von Mosebach so beiläufig wie schmerzhaft geschildert wird, dass sie nicht nur Hans und Ina aus der vom schönen Schein verklärten Albtraumwelt reißt. Auch wenn er nur still und bleich am Nachthimmel hängt, in Mosebachs Roman ist der Mond wahrlich kein harmloser Geselle.Dirk Becker

Martin Mosebach liest aus „Der Mond und das Mädchen“ morgen, um 20 Uhr, in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Karten unter Tel. (0331)2804103.

Dirk Becker

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