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Kultur: Im weiten Sinne komisch

Beruferaten mit dem HOT im Varieté Walhalla

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Beruferaten mit dem HOT im Varieté Walhalla Wir wissen, das Leben ist eine Baustelle. Und will das Theater damit fertig werden, in dem es ihm auf den Grund geht, dann ist das Theater auch eine Baustelle. Und deshalb ist es richtig, wenn das Hans Otto Theater zur „Baustellenbespielung“ in das Varieté Walhalla einlädt. Potsdam scheint diese Art der provisorischen Heizpilz-Kultur irgendwie verinnerlicht zu haben. Im Walhalla in der Dortustraße sorgt einzig ein germanisch anmutender Kamin für punktuelle Wärme, Kabelstränge baumeln von der Decke, es wird recht frisch bleiben während des „heiteren“ Beruferatens „Bin ich was?“. Das HOT hat schon viel geleistet für die Stadt, es probierte, es wagte etwas, es triumphierte. Und nun versucht es sich am Trash, am Baustellenschutt, übriggeblieben aus der Fernsehgeschichte. Statt Robert Lemke nun Roberta Lahmke, unter ihrer blonden Perücke die Chefdramaturgin Anne-Sylvie König als Moderatorin. Sie wird ihrem Künstlernamen gerecht, irgendwann während des Herumblödelns des Rateteams sagt sie: „Das ist ein bisschen wie beim Schach jetzt“ und hat damit den Abend ganz gut beschrieben. Franzi, die Assistentin in engem, knappen Paillettenkleidchen, sieht eindeutig schärfer aus als Roberta und hält die Berufsbezeichnungen der drei Kandidaten hoch. Der erste, Bernd, ist demnach Polygraphie Facharbeiter. Man wird den Eindruck nicht los, dass auf das Publikum ein Humordruck ausgeübt wird, ähnlich der Stimmung auf einer Betriebsfeier. Man will ja nicht Spielverderber sein, Mitmachen Pflicht. Die „Ratefüchse“, Karin, zweimal Tobias und Melitta, die entweder als Sekretärin, im Besucherservice, als Schauspieler oder Regisseur am HOT arbeiten, tappen ziellos im Dunkeln. Ist es ein handwerklicher Beruf? Brauchten sie eine Ausbildung? Wird ein Produkt verkauft? Die Zeiten sind vorbei, in denen Unterhaltung ähnlich beruhigend sein muss wie der Blick auf ein Aquarium. Das ist, um eine der meist genutzten Phrasen des Abends zu verwenden, nur im „weitesten Sinne“ komisch. Nur einmal wird es witzig. Als Bernd zugibt, dass sein Beruf seit längerem nicht mehr existiert, fällt Melitta sofort die „Stasi“ ein. Der nächste Kandidat heißt Rudolf. Seinen Beruf, Zauberclown, errät das Quartett natürlich auch nicht. Den dritten, einen Lehrer, schon, aber da ist die Spannung fort. Roberta füttert das Schweindl völlig automatisch, auch dann, als mal eine Frage richtig beantwortet wurde. Als Prominente tritt die Schauspielerin Nadja Uhl („Die Stille nach dem Schuss“) an. „Haben wir letzte Woche miteinander telefoniert?“, fragt die Sekretärin Karin. Und weiß dann auch schon die Lösung. Das war allerdings ganz schön einfach: erstens gibt es außer Jauch und Joop nicht so viele Prominente in der Stadt, und Uhl, die am Hans Otto Theater ihre Karriere begonnen hat, ist zweitens die Freundin von Kay Bockhold, dem Projektleiter der Baustelle „Walhalla“. Manche finden so einen Trash-Humor abgedreht und schrill. Manche vermissen eine Dramaturgie. „Wir haben gar nicht geprobt“, es soll von Spontaneität zeugen. Doch nicht jeder, der am HOT zu tun hat, ist von Natur aus ein Stand-up-Comedian. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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