Kultur: Im Wolfspelz
Laibach im Waschhaus: Mal düster, mal hypnotisch
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Das sind die Reiter der Apokalypse. Das jüngste Gericht. Eine Nacht ohne Morgen. Die Höllendrohung. Mit schwarzer Kapuzenmütze steht er auf der Bühne. Direkt unter ihm liegen zwei Scheinwerfer, die ihr Licht auf die Lippen ihres Herrn schicken. Eindrücklich mahnt Milan Frans, Sänger der slowenischen Band „Laibach“, mit dunkler, roher Stimme die Vergehen seiner Opfer an. Emotionen oder Mitgefühl sind von dieser Stahlwalze nicht zu erwarten.
Stoisch werden ganze Staaten unter der düsteren Anklage Milan Frans zermahlen. Amerika, das „Land der Freiheit“, „ein Himmel auf Erden“ heißt es in der Nationalhymne der Vereinigten Staaten. „Habt ihr Gerechtigkeit verwirklicht? Seid ihr wirklich der Himmel auf Erden“, lautet darauf die Anklageschrift Frans. Oder unser gutes Deutschland. Auferstanden aus einem kollektiven Trauma. Arbeitsam und diszipliniert haben wir die Trümmer der Vergangenheit geflickt. „Do you think you can make it?“, Glaubt ihr wirklich ihr schafft das?, wirft das dunkle Gewissen dort oben auf der Bühne ein.
„Volk“ heißt das aktuelle Projekt der slowenischen Skandalband „Laibach“ um ihren charismatischen „Führer“ Milan Frans. Auf dem Album wurden insgesamt 14 Nationalhymnen neu interpretiert, so dass von den Originalmelodien kaum etwas übrig geblieben ist. Diese Stücke stellte die Formation am Sonntagabend im Waschhaus vor. Ihr Ruf war ihnen bereits nach Potsdam vorausgeeilt. Vom Hang zum Totalitären, von grenzwertiger Provokation aber auch von Originalität und überraschenden Metamorphosen war da die Rede. Zum Gleichschritt wurde dann aber niemand gezwungen. Vielmehr war man damit beschäftigt, der visuellen und akustischen Reizüberflutung Herr zu werden.
Laibach hatten über der Bühne eine große Leinwand drapiert, auf die der Projektor passend zu den Stücken zum Teil surreale Bilder schleuderte. Filmszenen verschmolzen mit Farben und Symbolen zu einer flimmernden Masse. Dazu entwickelte die Band eine sphärische Syntheziser-Klangkollage mit einem treibend-hämmernden Schlagzeug. Alles vorgetragen mit preußischer Perfektion. Nicht ein Wort der Begrüßung. Nicht ein Signal des Erkennens. „The Show must go on“. Doch es war nicht nur der orchestrale Vorschlaghammer, den die Slowenen an diesem Abend zum Einsatz brachten. Es fügten sich auch ebenso ruhige und hypnotisierende Passagen in die Titel. Insgesamt eine durchaus faszinierende Vorstellung. Die Musiker haben mit Laibach eine Kunstfigur und sich mit ihrer Musik eine Nische geschaffen. Wer mit aufgeblasener Elektronik, wummernden Technobeats und vordergründiger Provokation keine Probleme hat, wird hinter der Fassade noch so manche Anregung finden. Vielleicht doch das Schaf im Wolfspelz? Philipp Kühl
Philipp Kühl
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