Kultur: Im Zeichen der Virtuosität
Am Freitag eröffnen die Potsdamer Hofkonzerte die diesjährige Saison mit dem Teufelsgeiger Paganini
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Sein Ruf ließ ihn selbst nach dem Tode nicht zur Ruhe kommen. Er wurde nachträglich als Ketzer verurteilt und so blieb ihm ein christliches Begräbnis verwehrt. Sein Sohn Achille ließ die Leiche mumifizieren. Und es dauerte dann noch 30 Jahre, bis Niccolò Paganini endlich in Parma beigesetzt werden konnte.
Teufelsgeiger und Dämon, Frauenmörder und Besessener – der Geigenvirtuose Paganini hat sowohl seine Zeitgenossen als auch die Nachwelt fasziniert und immer wieder die Phantasie beflügelt. Den Ruf, der ihm vorauseilte, wusste Paganini gekonnt zu nutzen. In dieser Hinsicht war er ein Meister der Selbstvermarktung. Er kleidete sich schwarz, reiste durch Europa zu seinen zahlreichen Konzerten in einer schwarzen Kutsche, die er nur von schwarzen Pferden ziehen ließ. Dieses musikalische Genie, das so unvorstellbar virtuos zu spielen verstand, faszinierte und verstörte zugleich, denn ein Geheimnis umgab diesen seltsam gekrümmten und so ausgemergelten Niccolò Paganini. Konnte ein Mensch überhaupt so spielen, ohne dass er mit dunklen Kräften einen Pakt geschlossen hatte?
Ganz wissenschaftlich geht es am Freitag zu, wenn beim Eröffnungskonzert der Potsdamer Hofkonzerte Sanssouci im Schlosstheater im Neuen Palais mit dem Dokumentarfilm „Paganinis Geheimnis“ das Phänomen seiner Virtuosität ergründet werden soll. Und Barbara Viola Heidenreich, Veranstalterin der Potsdamer Hofkonzerte Sanssouci, kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, wenn dieser Programmpunkt bei ihrem Gegenüber anfangs für Irritationen sorgt. Ein Film ausgerechnet im Schlosstheater? Und dann auch noch eine Dokumentation?
„Ja, das ist wirklich eine Premiere“, sagt Barbara Viola Heidenreich. Wahrscheinlich sogar in doppelter Hinsicht. Bei den Hofkonzerten, die 2011 ins 21. Jahr gehen, ist es das erste Mal, dass bei einem Eröffnungskonzert ein Film gezeigt wird. Und vielleicht ist es sogar die erste Filmaufführung im Schlosstheater. Bei den Planungen für das diesjährige Konzertprogramm hat Barbara Viola Heidenreich nach dem verbindenden Element gesucht. Klar war für sie, dass in diesem Jahr auch das Chopin-Programm „Gleich einem Stern, der einsam zieht“ mit dem Schauspieler Ulrich Noethen und der Pianistin Hideyo Harada wieder auf die Bühne kommen sollte, das im vergangenen Jahr nur eine geschlossene Gesellschaft erleben durfte. Und als sie dann für den Franz Liszt-Abend „Wenn ihre Stimm’ im Kuss verhallt“ neben der Pianistin Hideyo Harada die Schauspielerin Corinna Harfouch gewinnen konnte, fehlte nur noch Paganini in dieser Virtuosentrias.
So hat Barbara Viola Heidenreich dann für die Eröffnung nicht nur den Film „Paganinis Geheimnis“, sondern auch ein Konzert mit dem Paganini-Darsteller in dieser Dokumentation, Ingolf Turban, organisiert. Turban, dessen Paganini-Einspielungen Maßstäbe gesetzt haben, wird sich mit seinem Ensemble I Virtuosi di Paganini der hohen Kunst des Teufelsgeigers stellen und das mit Sicherheit ganz ohne einen Pakt mit teuflischen Kräften.
„Virtuoso assoluto! Die Lust an der Schwierigkeit“ hat Barbara Viola Heidenreich das diesjährige Programm überschrieben. Im Untertitel stehen die Namen von Paganini, Liszt und Chopin. Liszt, der Paganini 1831 in Paris spielen hörte, war sofort von Ehrfurcht ergriffen. Doch betraf das weniger das kompositorische Talent Paganinis, sondern dessen ungewöhnlichen technischen Fähigkeiten und sein schauriges Charisma. Später adaptierte Liszt, dessen Geburtstag sich am 22. Oktober zum 200. Mal jährt, sechs ausgewählte Violincapricen Paganini für Klavier solo. „Und Chopin wurde später von Liszt gefördert. So schließt sich der Kreis dieser drei Virtuosen“, sagt Barbara Viola Heidenreich.
Ein weiteres Virtuosentreffen nach den Abenden mit Chopin am 27. Mai und Liszt am 1. Juli wird es dann erst im Dezember geben. Dann treffen im „Duell in Sanssouci! Friedrich II. – Voltaire“ zwei Schwergewichte im Briefwechsel aufeinander. Diesem musikalisch-theatralischen Duell, das hier stellvertretend durch die Schauspieler Gunter Schoß in der Rolle von Friedrich II. und Dieter Mann als Voltaire ausgetragen und vom Flötisten Christoph Huntgeburth als „konzertierender Friedrich II.“ und Petteri Pittko als „Hofcembalist Friedrich II.“ entsprechend untermalt wird, liegt Voltaires letzter und längster Aufenthalt in Potsdam von 1750 bis 1753 zugrunde. Aus Bewunderung für die Schriften des Philosophen hatte Friedrich Voltaire an seinen Hof eingeladen, ihn zum Kammerherrn ernannt und mit einer Leibrente ausgestattet. Doch der mit dem 1736 begonnenen Briefwechsel freundschaftlich aber trotzdem kontrovers geführte Dialog entwickelte sich am Hofe des Preußenkönigs zu einem regelrechten Nervenkrieg. Was schriftlich und durch die räumliche Distanz wunderbar harmonierte, wurde jetzt auf eine harte Probe gestellt.
Bei ihrer szenisch-musikalischen Produktion vom „Duell in Sanssouci! Friedrich II. – Voltaire“ greift Barbara Viola Heidenreich auf die Fassung des Dramatiker Dieter Hildebrand zurück. „Dieser Briefwechsel ist ein Paradebeispiel für schriftliche Virtuosität und auch heute noch mit Genuss und vor allem Gewinn zu lesen“, sagt Barbara Viola Heidenreich. Und mit diesem Virtuosenstück, das an drei Abenden zu erleben ist, werden die Potsdamer Hofkonzerte dann ganz nebenbei das Jubiläumsjahr „Friedrich 300“ einleiten, das 2012 Potsdam sehr beschäftigen wird. Ein Abschluss ihrer Saison, der ganz nach Barbara Viola Heidenreichs Geschmack ist.
Eröffnungskonzert der Potsdamer Hofkonzerte Sanssouci am Freitag, dem 20. Mai, um 19 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais. Karten kosten zwischen 25 und 13 Euro. Weitere Informationen zum Jahresprogramm unter:
www.potsdamer-hofkonzerte.de
Dirk Becker
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