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Kultur: Im Zwiespalt der Gefühle

Der Pianist Paul Badura-Skoda zu Gast im Palais Lichtenau

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Wie einer lebenden Legende begegnen, die sich längst im Fantasiegarten der Erinnerung niedergelassen hat? Sich ihr als kritikloser, einstiges Können verklärender Verehrer nähern oder als liebevoll Betrachtender, der auch die realen Gegebenheiten eines erfüllten, dennoch kräfteverschleißenden Künstlerlebens zu benennen wagt? In solchem Zwiespalt der Gefühle befanden sich wohl die wenigsten Besucher eines Konzerts mit dem österreichischen Pianisten Paul Badura-Skoda im Festsaal des Palais Lichtenau, der die Salonintimität früherer Zeiten auszustrahlen versteht. Ein bescheiden auftretender Künstler ist er, der vor wenigen Tagen seinen 87. Geburtstag feiern konnte, und frei von allen Allüren eines Stars, der er doch ist. Bewundernswert seine geistige und körperliche Regsamkeit, seine Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung, mit der er Werke von Schubert, Mozart und Brahms zum Klingen brachte. In der Vorfreude auf seinen Auftritt hatte man die Herstellung von Programmzetteln doch glatt vergessen. Also übernahm der Pianist nicht nur die Ansage, sondern auch Erläuterungen der einzelnen Werke. Charme, Wortwitz und manch überraschende Pointe sorgten für eine konzentriert entspannte Atmosphäre.

„Keiner wie er hat so zum Herzen gesprochen, da bedarf es keiner weiteren Worte“, kündigte Paul Badura-Skoda die drei ersten „Moments musicaux“ op. 84 von Franz Schubert an. Wer sich seines berühmten singenden Sounds und transparenten Spiels erinnerte, musste leider hörbar erkennen, dass davon nunmehr kaum etwas übrig geblieben ist. Zu kraftvoll und laut für diese Salonakustik traktierte er den Steinway-Flügel. Die Poesie und klangliche Noblesse jener Schubertschen musikalischen Momente verwandelte sich in wenig stimmungsvolle Prosa. Einst lobte man ihn, dass er auf filigranste Weise dynamische, temporaffinierte und klangliche Nuancen zu setzen verstand. An diesem Abend leider nicht. Lag es etwa am wenig klangstrahlenden Instrument? Weitgehend undifferenziert und irgendwie auch verbissen erklang Mozarts a-Moll-Sonate KV 310. „Dramatisch bis fast bösartig sei sie, jedenfalls in den Ecksätzen“, so der Pianist. Entsprechend spielte er sie, wobei ihm das Schmerzvolle, Zerrissene vorzüglich gelang, das Tröstliche des Cantabile-Mittelsatzes allerdings weit weniger. Ganz in seinem Element war er schließlich in Brahms’ f-Moll-Sonate op. 5, einer wild auffahrenden, zerklüfteten, teilweise grotesken Lesart des Werkes.

Im Gespräch mit seinem ehemaligen Schüler Alexander Untschi bekannte Paul Badura-Skoda, dass er eigentlich Ingenieur werden wollte und nicht Pianist. „Von Üben hielt ich nicht viel!“ Dennoch fand er zur Musik, erhielt in Kriegszeiten durch sie die Kraft zum Überleben. Offenbarungshaftes und Seelenstärkendes wohne ihr inne. Viel Anekdotisches steuerte er von seiner Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Wilhelm Furtwängler bei, war von der „Menschlichkeit und der Demut vor jeglichem Werk“ seines Geigenpartners David Oistrach sehr angetan. Und von seinem Lehrer Edwin Fischer – „der mit den Würstelfingerln“ – habe er das Mitatmen mit der Musik beim Tastenspiel gelernt. Und das Credo seines Lebens? „Seelisch im Gleichgewicht sein, um auch Niederlagen verdauen zu können, nach Harmonie streben, wozu mir meine christlich-katholische Erziehung verholfen hat.“ Ihm wurde mit stehend dargebrachtem Beifall gehuldigt. Peter Buske

Peter Buske

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