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Ausstellung von Menno Veldhuis: Immer auf der Suche bleiben

Der deutsch-niederländische Maler Menno Veldhuis zeigt in der „ae“-Galerie, wie Abstraktion funktioniert. Vor großen Vorbildern wie van Gogh oder Armando hat er keine Angst.

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Ganz versteckt liegen Menno Veldhuis’ geheime Schätze. In einer Vitrine in der Ecke hat er seine Skizzenbücher aufgeschlagen, die eine ganz andere Welt offenbaren als seine großen Öl- und Acrylgemälde. Da ist zum Beispiel seine Oma: Ihr eingefallenes, aber friedliches Gesicht hat Veldhuis kurz nach ihrem Tod festgehalten – mit schnellen Kugelschreiber-Strichen. Darunter Szenen einer Autofahrt, der Blick von der Rückbank über die Schulter des Beifahrers hinaus ins Freie. „Ich zeichne eigentlich immer, wenn ich auf dem Weg nach Holland bin“, sagt Veldhuis, der 2004 von dort nach Potsdam zog. Eigentlich zeichnet er überhaupt immer, er braucht das. Fingerübungen, so nennt er diese kleinen Zeichnungen, die so viel intimer und privater sind als seine eher abstrakten Bilder.

Um die aber geht es vorwiegend in der Ausstellung, die noch bis zum 5. April in der Galerie „ae“ von Angelika Euchner zu sehen ist. Für die großformatigen Arbeiten, sagt er, benutze er keine Vorlage, keine Modelle, kein Anschauungsobjekt. „Ich könnte das Pferd auch nach Skizzen malen – aber was bringt mir das?“, fragt er und grinst. Mit Vorlagen bliebe die Fantasie doch unterfordert. Da macht es auch nichts, wenn die Bauchlinie oder der Bogen der Beinmuskeln dann einmal nicht hundertprozentig passt. Seine Pferde, rot und blau schimmernd, sprühen trotzdem vor Kraft. Ein wenig erinnern sie auch an die Pferde bei Franz Marc (1880–1916), dem Expressionisten. „Aber meine sind besser“, sagt Veldhuis. Schon wieder grinst er herausfordernd, erklärt dann aber ganz ernst, warum: „Der Pinselstrich bei Franz Marc ist ganz unsicher, zu vorsichtig.“ Auch die Farben, findet er, stimmen bei Marc nicht. Dabei gilt der mit seinen bunten Tieren – vor allem seinem blauen Pferd – als Mitbegründer der Künstlergruppe „Blauer Reiter“.

Veldhuis hingegen hat jetzt Rot für sich entdeckt. Eine Farbe, vor der er früher eher Angst hatte. Weil sie immer gleich so knallt. „Lange habe ich vor allem Blau und Grün benutzt, ziemlich düster“, sagt er. Jetzt aber leuchten in der kleinen Galerie überall warme rote Flecken auf – als Pferd oder auch als bärtiger Holzfäller in einer Jacke, die an russische Folklore erinnert. Nie aber ist die Farbe monochrom, nie flächig aufgetragen. Immer mischt da etwas anderes mit, was seinen Arbeiten eine Art Flirren, eine innere Bewegung verleiht. Genau sein Ziel: „Meine Bilder sollen jeden Tag etwas Neues sein, ich will nicht, dass man einmal draufguckt und schon alles gesehen hat.“ Lieber ist es ihm, wenn sie sich jeden Tag verändern, dem Betrachter immer wieder etwas Neues erzählen können. Deshalb tüftelt er, feilt – und es kann schon mal passieren, dass es in einem fast fertigen Bild diese eine kleine Ecke gibt, die nicht stimmt. An der die Farbe entweder platt und flächig klebt oder sich zu stark wölbt. Dann pinselt er schon mal zwei Wochen daran herum, bis das Profil wieder stimmt.

Auf gar keinen Fall, sagt Veldhuis, dürfen seine Bilder zugemalt aussehen. Das heißt, die Farbe darf nicht wie eine Wand wirken, wie etwas Undurchdringliches, die Leinwand nicht überladen werden. Und es stimmt: Trotz der wuchtigen Farben haben Veldhuis Bilder etwas Leichtes, Bewegliches. Da setzt aber schon seine nächste Angst an. Gefällig nämlich sollen seine Arbeiten auch nicht sein. Auf einem seiner abstrakteren Bilder war ursprünglich ein weiteres rotes Pferd. Er lud es auf Facebook hoch – und bekam „unendlich viele Likes“. Da hat er das rote Pferd wieder übermalt.

Das Motiv, sagt er, sei ohnehin eher egal. Ihm geht es um die Malerei selbst. Die Art, wie die Farben miteinander agieren, die weiße Fläche der Leinwand gestalten. Das bedeutet auch: Veldhuis ist frei, mit den Bildausschnitten zu spielen und so verschwindet der Kopf des Pferdes schon mal am unteren Bildrand. Trotzdem sei das Pferd ein gutes Motiv: ruhig, organisch und von großer Stärke. Eines dieser Pferde-Bilder heißt „Der Botschafter“. Es bleibt unklar, ob es eine gute oder eine böse Botschaft überbringt, die meditative Ruhe, die einem beim Anblick der großen Tiere oft überkommt, könnte ebenso gut trügerisch sein.

Zugleich schwingt bei Veldhuis – neben aller Ernsthaftigkeit – oft auch Ironie mit. Das beste Beispiel dafür findet sich nicht in der aktuellen Ausstellung, sondern im Katalog: In seiner Serie „Ernten“ findet sich dieser riesige schwarze Mähdrescher, der an den italienischen Futurismus erinnert, ein wenig auch an van Gogh, diesen größten aller niederländischen Maler. Veldhuis hat seinen Landsmann kurzerhand als Fahrer auf den Drescher gesetzt.

Ein noch lebendes Vorbild und ein weiterer Niederländer in Potsdam ist der Maler Armando. „Er kam dieses Mal sogar zur Ausstellungseröffnung“, so Veldhuis. Das Lob, das er von ihm bekam, hält Veldhuis aber für zweischneidig. Jetzt ist er auch ein richtiger Maler, habe Armando gesagt. „Das will ich eigentlich nicht sein, das klingt mir zu abgeschlossen, zu fertig.“ Er möchte lieber auf der Suche bleiben, unterwegs mit seinem Skizzenbuch, auf charmante Art unperfekt wie seine Zeichnungen mit dem Kugelschreiber.

Noch bis zum 5. April in der Galerie „ae“ in der Hermann-Elflein-Straße 18, mittwochs, donnerstags, freitags, 15-19 Uhr, samstags, 12-16 Uhr

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