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Kultur: Immer feste druff
K.I.Z. im ausverkauften Lindenpark
Stand:
Man kann ja über K.I.Z. denken, was man will, man kann sie lieben, man kann sie hassen, niveaulos finden, dekadent und ziemlich abartig. Aber das Polarisieren und Grenzen ausloten gehört nun mal explizit zum Konzept der Berliner Hip-Hop-Formation, und ein ausverkaufter Lindenpark am Freitag gibt ihrem Erfolg schlichtweg recht.
Allerdings sollte man nicht zartbesaitet, introvertiert oder ausgesprochen konservativ sein, wenn man derartige Provokationen verkraften will. Die „Kannibalen In Zivil“ (oder gern auch „Kriegsverbrecher In Zwangsjacken“) legen, was das Infragestellen gesellschaftlicher Normen betrifft, gern eine Schippe drauf und sorgen so selbst unter Hartgesottenen für das ein oder andere Kopfschütteln. Man mag sich mit Grauen ob dieser Grenzwertigkeit abwenden, kann aber auch – sofern man sich darauf einlässt – der morbiden Faszination erliegen, sich nicht im Bereich der „political correctness“ austoben zu müssen.
Gut, dass sich mit musikalischen Subkulturen schon immer von gesellschaftlichen Zwängen abgegrenzt wurde, ist nicht neu und schon aus Zeiten des Rock’n’Roll und später des Punk bekannt, und das besonders dem deutschsprachigen Hip-Hop gern mit der Moralkeule gedroht wird, ist ein vonseiten der Künstler durchaus erwünschter Effekt. Sexismus? Aber ja, gerne doch: Man muss ihn halt nur zünftig zu zelebrieren wissen, und dass ausgerechnet K.I.Z. ihr vorletztes Album „Sexismus gegen Rechts“ getauft haben, zeugt – Verzeihung! - von großartigem Humor. Natürlich darf heutzutage niemand mehr Sexist sein, und wenn doch, dann bitte leise und hinter verschlossenen Türen. Wie kann denn dann der Aufruf an die Männer, sich doch bitte gegen die Versklavung und Unterjochung zu wehren und Hexenverbrennungen wieder einzuführen, anders als Satire bewertet werden? Da zetern die Ewiggestrigen von Verrohung moralischer Werte, während Tausende junge Männer und Frauen mitten in Potsdam die Arme hochreißen und selig lächeln.
Wenn man nun einmal das kollektive moralische Gewissen ausblendete, konnte man bei K.I.Z. einfach nur ausgelassen Spaß haben: „Ich brauche Deutschland nicht, Deutschland braucht mich“ wurde skandiert, oder einfach mal nur zum herzhaften Buhrufen aufgefordert – „Stellt euch mal vor, hier stehen Störkraft, Freiwild oder Mario Barth!“ Da lag der Hase im Pfeffer: Hier wurde Rechtsrock diffamiert, und der Flachland-Komiker Barth ist ja sowieso der wahre Katechet des Sexismus. Dass diese Vertreter auch noch ernst genommen werden, ist doch der eigentliche Skandal. Und wer darf wieder die Prügel einstecken? Die armen Jungs von K.I.Z. Dabei bemühten sie sich doch redlich, die von Außenstehenden gern als dumpfe Provokation empfundenen Aussagen mit eindeutigen Statements zu verknüpfen.
Aber mal halblang, Streicheleinheiten haben sich die Berliner Großmäuler nun wirklich nicht verdient. Die konnten jedenfalls ordentlich Gift und Galle versprühen, wenn sie beispielsweise ihre Frühlingsgefühle mit dem Refrain „Ich will töten“ garnierten oder einfach mal geradeheraus fragten, ob es denn legitim sei, die Worte „Penis“ und „Adolf Hitler“ in einem Satz zu verwenden. Da konnte die Schmerzgrenze ziemlich schnell erreicht sein, aber genau die sollte ja auch gefunden werden. Aber nichts für ungut, jeder der Anwesenden war gewarnt und wusste genau, auf was er sich einlassen würde. Und nach dem Konzert wird sich dann bitteschön auch wieder zusammengerissen, beim sonntäglichen Kaffeekränzchen haben K.I.Z. nämlich nichts mehr zu suchen. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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