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Ausdruckslose Gesichter. Heike Adners „Erinnerung“ (Ausschnitt), 2011

© BVBK

Kultur: Immer noch die Königsdisziplin?

„Begriff: Portrait“: eine Ausstellung des BVBK in der Produzentengalerie „M“

Stand:

Eine Pose in Stein gemeißelt, oder ein Gesichtsausdruck in Öl gemalt: Diesen Fokus auf die Momentaufnahme eines Menschen setzt nur das Porträt. Nur das Porträt bietet dem Betrachter die Möglichkeit, einen Menschen endlos betrachten zu können – ist dieser doch eingefroren, verewigt in einem einzigen Augenblick.

Im Rahmen der Ausstellung „Begriff: Portrait“ in der Produzentengalerie M widmen sich derzeit fünf Künstler dieser Gattung, die einst neben der Allegorie und dem Historienbild als Königsdisziplin galt: Heike Adner, Elke Bullert, Rainer Ehrt, Jürgen Mau, Rotraut Rospert und Anja Isabel Schnapka stellen ihre Werke aus und analysieren und erweitern dabei den traditionellen Porträtbegriff mit ihren vielfältigen künstlerischen Techniken.

Sein Innerstes dem Portraitmaler offenbaren: Was schon Oscar Wilde in seinem „Bildnis des Dorian Gray“ aufgriff, inspirierte Rainer Ehrt zu radikaler Konsequenz. Er stellt aus, was den Menschen in seinem Innersten ausmacht: das Herz, ein pulsierendes rotes Gebilde aus Blut. In Tusche-Zeichnungen und Farbstiftmalereien porträtiert er immer wieder das eine Organ – in der Brust eines hohläugigen Menschen, aus ihr herausgerissen oder ganz losgelöst vom Körper. Im Zentrum seines Werks steht ein überdimensionales Herz aus Holz, montiert auf einem Eisenständer, grellrot lackiert. Stahlnieten halten es zusammen, damit es nicht zerberstet – und lassen es eigenartig verletzlich wirken.

Ganz anders arbeitet Rotraut Rospert in ihren kreischend bunten, großformatigen Ölgemälden. Ein Blick auf die Bildtitel der Serie „evolutionär 9-90“ erklärt, warum die Gesichter so glatt und makellos, so wenig individuell sind: Es sind keine Charaktere, die hier dargestellt sind, sondern Lebensphasen. Die „Pubertät“ beispielsweise trägt orangenes Haar zu orangenen Lippen und einem violetten Shirt. Das würde sich die „Weisheit“ nie leisten: Weißhaarig schaut sie von oben auf den Betrachter herab, der ockerfarbene Pullover bildet einen eher ruhigen Kontrast zum königsblauen Hintergrund. Andere Bilder wiederum hielt Rospert in Brauntönen, zeigte in ihnen nur Gesichtsausschnitte – das große Format der Bilder lädt zum genauen Betrachten, zum Nachfahren der Konturen ein.

Das Porträt hat eine lange Tradition. Schon die alten Ägypter legten ihren Mumien auf Holztafeln gemalte Bilder der Toten bei. Für europäische Könige und Herrscher war es jahrhundertelang ein wichtiges Machtsymbol, Abbilder ihrer Selbst anfertigen zu lassen. Insofern erscheint es nur logisch, dass in manche Porträts kunsthistorische Bezüge eingeflochten sind. Anja Isabel Schnapka beispielsweise porträtierte ihren Silberschmied „Robert“ mit einer weißen Lilie in der Hand, dem traditionellen Symbol für Unschuld und Jungfräulichkeit. Das ist allerdings nur ein Element von vielen in dieser digitalen Fotocollage. Schnapka lässt in ihren Bildern vielschichtige visuelle Eindrücke entstehen, indem sie fragmentartige Bruchteile ihrer Fotos neu anordnet und übereinanderschichtet. Das ist moderner Kubismus.

Jürgen Mau dagegen setzt sich in seinen Installationen vor allem mit dem Porträt-Begriff an sich auseinander. Er stellt schriftliche Erläuterungen abstrakten bis figürlichen Ölgemälden gegenüber, setzt diese in Bezug zu einem Sammelsurium an Holzklötzen, Lampen, Fotografien und Büchern. Keinen Geringeren als Gerhard Richter versucht er so zu porträtieren – weniger sein Aussehen als vielmehr seine Bezüge zur Umwelt. Der Betrachter hat dabei aber leider wenig Spaß: Das visuelle Angebot bleibt auf der Strecke, und nicht wenige werden sich zweifelnd fragen, was das Foto einer leeren Stuhlreihe mit Richters Person zu tun hat. Angesichts dieser flüchtigen Installationen wirkt die Materialität der Terrakottaskulpturen Heike Adners geradezu erschlagend. Sehr genau porträtierte sie ihre Vorbilder und verewigte ausdruckslose Gesichter in Keramik. Wie weit man Gesichter abstrahieren kann, ohne sie unkenntlich zu machen – dieser Frage geht schließlich Elke Bullert in ihren Tonskulpturen nach.

Die Bandbreite dieser Ausstellung ist erstaunlich – hier wird ganz dem Zeitgeist entsprechend ein multimedialer Blick auf die Gattung Porträt eröffnet: eine polyphone und anregende Reflexion. Linda Huke

Produzentengalerie M, Charlottenstraße 122, bis Sonntag, 25. November, Mi bis Fr von 11 bis 17 Uhr und Sa und So, 11 bis 18 Uhr. Eintritt frei

Linda Huke

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