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Kultur: Immer zündend

Johann König begeisterte im Nikolaisaal

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Er ist unglaublich langsam, steht immer etwas neben sich und stammelt gern wirres Zeug: Johann König, die selbsternannte Pointenpeitsche. Am Donnerstag steht er im ausverkauften Nikolaisaal da in seiner braunen Breitcordhose, mit diesem gelangweilten und zugleich gereizten Gesichtsausdruck und erzählt seinem Publikum mit unverwechselbarer, brüchiger Stimme, wie sein vierjähriger „strunzendoofer“ Sohn Hein Mück im Kinderzimmer das Piratenschiff von Playmobil anzünden wollte. So sei der Titel seines aktuellen Programms „Feuer im Haus ist teuer, geh raus!“ entstanden. Ein Programm voller abstruser Alltagsgeschichten mit dadaistischer Nonsenslyrik und schon verzweifelt schlechten Eigenkompositionen, ein über zweistündiges Gemenge voller Selbstironie und genialer Komik, das bei den Gästen zu einem flächenbrandartigen Dauergelächter führt.

Wie schon vor drei Jahren, freut sich der Kölner Comedian auch diesmal wieder, in der „wunderschönen ausgebeulten Klappstuhlarena“ aufzutreten, auch wenn er da nervös von einem Bein aufs andere tritt und nicht weiß, wohin mit den Armen, während er über Themen philosophiert, die alle angehen. Über Bananen aus der Region etwa, über den fehlenden Unterschied zwischen Behinderten- und Frauenparkplätzen, den Vorteil von Vorurteilen oder den jäh einsetzenden Waschzwang beim Anblick von Menschen, die warmen Hundekot einsammeln. Wo er nur kann, ist Johann König politisch inkorrekt. Dabei provoziert er jedoch mit einem so lächerlich naiven Habitus, dass die Gäste im Saal sich selbst dann noch vor Lachen die Bäuche halten, wenn er seine kurzen Wutausbrüche bekommt und plötzlich den „ganzen Spackenverein“ verflucht. Freilich, meist ist er ja ganz handzahm, so als er zum Keyboard geht und seine an Schlichtheit nicht zu überbietenden Lieder über den Bubble-Tea oder die Katzenhaarallergie seines Katers Hektopascal zum Besten gibt. Freundlich ist König auch beim Sinnieren über die guten alten 80er-Jahre, als pechschwarze Haare noch „frisch gewichst“ wurden und Hörspielkassetten der Jugendbande „TKKG“ ganz groß in Mode waren. Einige dieser handlichen Magnetbänder hat er sogar dabei und rätselt dann zusammen mit dem Publikum über den Ausgang einzelner vorgespielter Szenen, was ankommt, sich aber nicht als so zündend erweist. In solchen Fällen verzagt König keineswegs. Just notiert er diese Publikumsreaktionen dann in sein Gedächtnisprotokoll, verzieht seine Miene zur grienenden Grimasse oder drückt auf eine Fernbedienung und spendet, nach Art der unsäglichen Sitcoms, sich kurzerhand selbst seine tosenden Lachsalven und Applause. Bisweilen treibt er dieses selbstironische Spiel bis zur Demontage seiner eigenen Kunst. So kündigt er etwa die derbe Zote vom Ziegenficker bereits im Vorfeld als schlechten Witz an, erklärt ihn dann umständlich und beginnt ihn etliche Male von vorn, verirrt sich dabei auch noch hoffnungslos in seinen eigenen Sätzen und bricht schließlich, während der ganze Saal lauthals grölt, mit an die Stirn geschlagenen Händen, fast weinend zusammen. Keiner zieht so seine Show ab.

Es ist schon beeindruckend, dass diese Figur des „extrovertierten Autisten“, die Johann König vor 15 Jahren ins Leben gerufen hat, sich im heillosen Comedy-Sektor noch immer nicht abgenutzt und überdies keinen einzigen Nachahmer gefunden hat. Die Leute lieben und feiern ihn auch an diesem Abend begeistert, selbst wenn er einfach nur auf einen riesigen weißen Fellsitzsack klettert und harmlosen Blödsinn daherschwatzt. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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