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Kultur: In bester Gesellschaft

Eine „Venezianische Nacht“ mit Antonio Vivaldi in der Friedenskirche Sanssouci

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Der Vielseitigkeit des Komponisten Antonio Vivaldis an einem Abend gerecht zu werden, erscheint als heikles Unterfangen. Was und vor allem wie viel aus dem umfangreichen Werk des italienischen Komponisten soll zu Gehör gebracht werden, ohne die Geduld des Publikums überzustrapazieren. Bei aller Schönheit und Leichtigkeit in Vivaldis Musik, Reizüberflutung ist auch hier kein guter Partner.

Die dritte Venezianische Nacht am Samstag in der Friedenskirche hatte sich die Vielseitigkeit Vivaldis ins Programm geschrieben. Sechs Stunden mit neun Sonaten und Konzerten, dazu die „Vier Jahreszeiten“ und die „Stabat Mater“. Dazwischen Theater, Lesungen und Pausen für Kulinarisches. Das Ensemble „Die kleine Cammer-Music“ unter der Leitung des Violinisten Wolfgang Hasleder mutete sich und dem Publikum einiges zu. Doch der Balanceakt gelang.

Es waren vor allem Kleinigkeiten und dramaturgische Kniffe, die diesen Abend zum „the real thing“ werden ließen, wie auf den Plakaten und dem Programmheft zu lesen war. Wobei es dem Besucher überlassen blieb, darüber zu spekulieren, warum Hasleder darauf besteht, dass ausgerechnet seine „Venezianische Nacht“ die wahre ist. Vielleicht ein kleiner Seitenhieb auf die letzten Musikfestspiele, die unter dem diesjährigen Motto „Venedig – musica serenissima“ auch eine „Venezianische Nacht“ im Programm hatten?

So gab Andreas Hueck von der freien Theatergruppe Poetenpack „Auszüge aus den Memoiren Giacomo Casanovas“ im Atrium der Friedenskirche, nachdem „Die kleine Cammer-Music" zuvor mit zwei Konzerten und vier Sonaten auf den Vivaldi-Marathon eingestimmt hatten. Hier überzeugten am stärksten die Sonate in d-moll „La Follia“ für zwei Violinen und die Sonaten in C-Dur und g-moll für Violine, Laute und Cembalo. Bei dem beliebten Folia-Variationenspiel Hasleder und Sarah Flögel an den Violinen im herrlichen Wettstreit, bei den Sonaten C-Dur und g-moll Hasleder mit dem Lautenisten Frank Pschichholz und der Cembalistin Beni Araki in ausgeglichenster Harmonie. Nur die Sonate in B-Dur für Violoncello und Cembalo blieb belanglos, denn das Cello klang so matt, als würde eine Wolldecke über dem Instrument hängen.

Danach dann Casanova im Atrium. Doch vom großen Verführer und Frauenheld keine Spur. Der Casanova, den Andreas Hueck präsentierte, war ein gehörnter Liebhaber, den sein unstillbarer Trieb zum leichten Spielball weiblicher List werden ließ. Hueck klagte, tobte, balzte und blieb am Ende doch der Geschlagene, dem nur die aufgehende Sonne in den Kanälen von Venedig die verloren geglaubten Lebensgeister zurück geben konnte.

Den „Vier Jahreszeiten“, als kleine Werkeinführung sozusagen, ließ Hasleder die vier Sonette des Komponisten voranstellen, die Vivaldi später hinzugefügt hatte, um „die Musik leichter zu erklären“. „Die kleine Cammer-Music“ gab Vivaldis Jahreszeitenzyklus mit schlankem, aber akzentuiertem Klangbild, das den in den Sonetten angesprochenen Szenen aus dem Landleben entsprechende Bildhaftigkeit und Leben verlieh. Eine packende und reizvolle Interpretation des allzu Bekannten. Doch der Höhepunkt blieb der „Stabat mater“ vorbehalten.

Mit nur vier Briefen von Hermann Hesse, Theodor Fontane und Felix Mendelsohn-Bartholdy hatte Klaus Büstrin das Leben in Venedig in die Friedenskirche geholt. Mit Mendelsohn-Bartholdys Beschreibung seiner Eindrücke beim Betrachten von Tizians Gemälde „Grablegung Christi“ eine gelungene Einstimmung auf Vivaldis „Stabat mater“. Hier „Die kleine Cammer-Music“ mit der Mezzosopranistin Kristiina Mäkimattila in kontemplativer Stimmung. Ein Klagegesang, der nicht auf Pathos, sondern auf Schlichtheit setzte und dadurch am stärksten berührte.

Die filigran spielenden Musiker, Kristiina Mäkimattila mit dunkelm Timbre, in der Kirche fast nur Kerzenlicht, einer dieser Momente, die man festhalten möchte.

Dirk Becker

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