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Kultur: In Chansons verpackte Frechheiten
„Nieder mit IT“ fordern Pigor und Eichhorn
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Dass es, wenn der „User“ spricht, auch mal recht wort- und lautstark werden kann, bewiesen die gerade mit dem Deutschen Chansonpreis ausgezeichneten Kabarettisten Pigor & Eichhorn (und Ulf) am vergangenen Freitagabend in der Waschhaus Arena. In ihrem Song „Nieder mit IT“ aus dem aktuellen Programm „Volume 6“ (Pigor singt und Eichhorn muss begleiten) zog die Generation Atari ordentlich her über den „Jugendgerätewahn“, die „Nötigung zur Nutzung“ oder die „Zwangsbescheuerung“ durch immer neue Upgrades diverser technischer Spielzeuge.
Nicht nur einmal wollte das Publikum da aufspringen und „Genau“ schreien, wenn es um nicht funktionierende Drucker oder unlesbare Bedienungsanleitungen ging.
Die so gewonnene Sympathie ließ sich nur schwer wieder verspielen und verzieh jede folgende oder vorangegangene Boshaftigkeit. Versprochen war ein dreiteiliges Programm, dem ein lakonisches Warm Up voran gestellt wurde, das vor allem dem Pianisten Benedikt Eichhorn dazu diente, in sein Dress und in Stimmung zu kommen, um dann in den musikalischen Teil überzuleiten, der ganz allein von Pigor bestritten wurde. Dieser, napoleonesk gekleidet und recht schrill frisiert, lästerte und schimpfte munter drauf los. „Ich werde nicht bedient, also bin ich nicht“, ist die herrlich philosophische Quintessenz des Songs „Wurstverkäuferin“, in dem er sich über ignorantes Verhalten im Dienstleistungsgewerbe echauffierte. Auch die junge, inkompetente, immer hippe und so flexible Kollegin erregte sein Missfallen, und die Kevins dieser Welt steckte er ironisch in die Rolle des zukünftigen Bundeskanzlers, nicht ohne dabei symbolisch die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.
All diese Frechheiten waren verpackt in Chanson, Blues oder Hip Hop und Eichhorn setzte mit Hilfe des Klaviers hervorragende Akzente und auf jeden Song ein i-Tüpfelchen. Auch Ulf Henrich am elektronischen Sampler, der in der Hierarchie der Band nur scheinbar irgendwo hinten ansteht, trug musikalisch, mimisch und gern auch mal mit vollstem Körper- und Stimmeinsatz zu einem Programm bei, das man als intelligent, gewitzt und sehr unterhaltsam bezeichnen muss. Kein Wunder also, dass die Heimspiele in der Berliner Bar jeder Vernunft jedes Mal ein Fest sind und Kleinkunstpreise über den Künstlern ausgeschüttet werden.
Nur einen Fauxpas gab es in der bisherigen Bandgeschichte. Während des zweiten Programmteils, einem mehr oder weniger ernsthaft betriebenen Interview, kam heraus, dass Eichhorn, eigentlich nur der Begleiter, auch einmal in die Rolle der Hauptfigur schlüpfen wollte, und so entwickelte er zusammen mit Ulf Volume 5 und beklagte sich mit dem Song „Der Begleiter“ ganz bitterlich über sein eigenes Los. Leider nur ist Eichhorn kein wirklich talentierter Sänger, das wusste er selber, er hatte sich erkundigt. Trotzdem applaudierte das Publikum, nachdem es den Song auch live zu Gehör bekam, auf Stufe 5, sprich anhaltend und euphorisch und freute sich auf den dritten Teil der Veranstaltung, der wieder sehr musikalisch ausfiel.
Blieb die Frage, wie viel Wahrheit tatsächlich in dieser kleinen Anekdote steckte. Die Antwort wäre sicher ein Augenzwinkern. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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