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Kultur: „In den leichten Blütenranken lauschen liebende Gedanken“

Freiluftiger Lese-Vortrag über Goethes späte Liebe im Joop“schen Anwesen

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Freiluftiger Lese-Vortrag über Goethes späte Liebe im Joop“schen Anwesen Von Peter Buske Das Lesen bringt große Freud. Das Vorlesen nicht minder. Von letzterem können die Potsdamer nicht genug bekommen. Zahlreiche Zusatzveranstaltungen des respektablen Urania-Angebots „Im Garten vorgelesen“ sprechen eine deutliche Sprache. Sicherlich mag bei dem einen oder anderen Dichtkunstgenießer die Neugier auf die Gartenbesitzer und deren gehegte und gepflegte Anpflanzungen ausschlaggebender für den Besuch sein als die Lust auf die zu neuem Leben erweckte Literatur. Anders an diesem Wochenende, wo beides in Einklang gebracht ist: die Freude auf den Landschaftsgarten von Charlotte und Gerhard Joop mit der Erwartung auf die Ausbreitung der Geschichte einer Liebe zwischen der jungen Marianne von Willemer und dem alternden Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe, vorgetragen von Autorin Dagmar von Gersdorff und Klaus Büstrin, der für die sprachmelodische Auslegung der Verse aus dem „West-Östlichen Diwan“ zuständig ist. Unter dem überaus passenden Titel „In den leichten Blütenranken lauschen liebende Gedanken“ wird den Sprachgourmets quasi ein lockerer Wettstreit zwischen Prosa und Poesie geboten. Dagmar von Gersdorff, die an historischen Stätten in Lindstedt und Paretz bereits von anderen interessanten Paarbeziehungen erzählte (Luise/Friedrich Wilhelm III., Bettina und Achim von Arnim), ist an diesem kühlen und windigen Abend unterm Lindenbaum im Hofgeviert des Joop“schen Anwesens reichlich unkonzentriert. Oftmals verliert sie beim Lesen aus ihrem Buch „Marianne von Willemer und Goethe – Geschichte einer Liebe“ (Insel Verlag) den Faden der Handlung und die Buchseitenzahlen dessen aus dem Blick, wovon sie lesen und sagen will. Schwer nur lässt sich zwischen spontaner Erläuterung und der Wiedergabe des Niedergeschriebenen unterscheiden. Dennoch teilt sich die Liebe der Autorin zu ihrem Gegenstand einprägsam mit. Es beginnt 1814. Nach langer Zeit besucht Goethe wieder seine Geburtstadt Frankfurt/M. und Jugendfreund von Willemer, einen erfolgreichen Bankier, unkonventionellen Dichter und Gesellschaftskritiker. Zwischen dessen 29-jähriger „Pflegetochter“ Marianne Jung und dem 65-jährigen Olympier entwickelt sich alsbald eine höchst liebes- und schreibproduktive Leidenschaft. Demoiselle Marianne (uneheliches Kind eines holländischen Tänzers, von Willemer der Mutter abgekauft, als Geliebten ins Haus geholt, zur Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin ausgebildet) diese Goethe“sche Aufmerksamkeit, antwortet seinen Gedichten mit eigenen Versen. „Er dichtete, damit sie für ihn singe“, so die Biografie. Marianne wird gleichberechtigte Mitdichterin des „West-Östlichen Diwan“, deren Autorenschaft sie erst nach Goethes Tod offenbart. Durch sie erfährt Goethe, längst mit Christiane Vulpius verheiratet, neue Inspiration und einen Schaffensrausch sondergleichen. Durch sie wird er mit Musik verwöhnt. Der reale und poetische Liebesroman schreibt sich unaufhaltsam fort. Manches wird gesagt, vieles den Freunden verheimlicht. In seinen „Diwan“-Gedichten nennt er sich Hatem, sie Suleika. Man erfindet Chiffrenbriefe. Mit dem Tod von Goethes Gattin Christiane anno 1816 endet die Beziehung abrupt. Marianne bricht zusammen, erkrankt, leidet an Sehnsucht - nach JWG. Die Emanzipierte wird Gesangslehrerin. Kurz vor Goethes Tod erhält sie von ihm ihre Liebesbriefe zurück. Zusammen mit einem zartfühlenden Gedicht des Abschieds. Dieses Liebesbekenntnis und andere zärtliche Zeugnisse wie „Ist es möglich, Stern der Sterne“ oder das vom Ginkgobaum lässt sich Klaus Büstrin genießerisch auf der wendigen und sprachgewandten Zunge zergehen. Die Musiker des Bläserquartetts „Blechzeit“ können da keinesfalls mithalten: Ihre „auflockernden“ Beiträge (Boccherinis Menuett, Haydns Serenade und Teile aus Händels „Wassermusik“) geraten klanglich leider zum Ärgernis. Zur Freude wird dagegen der Anblick floraler Üppigkeit. Einjähriger Rittersporn in rosé und blau, gelbe Taglilien oder rote Rosen kontrastieren mit weißen Margeriten, blasslilafarbenem Ehrenpreis, gelber Schafgarbe Das abgestimmte Farbenspiel erfreut die Sinne. Der mittellang geschnittene Rasen federt unter den Tritten zahlloser Neugieriger. Herzlich bedanken sie sich abschließend bei den Gastgebern und Sprachmittlern.

Peter Buske

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