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Kultur: In den schlechtesten aller Welten

Leseabend mit Sybille Berg und Peter Lau im Lindenpark

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Leseabend mit Sybille Berg und Peter Lau im Lindenpark Frau Berg mokiert sich über die böse, schlechte Welt - Herr Lau seziert diese Welt in lauter sarkastische Einzelbilder. So könnte man den Leseabend im Lindenpark beschreiben, zu dem erstaunlich wenig Zuhörer gekommen waren. Sybille Berg, die bekannte Schriftstellerin aus Weimar mit langjährigem Wohnsitz in Zürich, war nicht allein gekommen, sondern mit Peter Lau. Gemeinsam bestritten sie das rund achtzigminütige Programm. Etwa die Hälfte der vorgetragenen Texte stammte von Peter Lau und sie standen denen von Sybille Berg keineswegs nach, eher im Gegenteil. Daher sei zunächst die Frage beantwortet, wer ist Peter Lau? Der mittelalte Herr mit der grauen Pagenfrisur bestätigte auf Nachfrage Redakteur der alternativen Wirtschaftszeitung „Brand eins“ zu sein. Von seinen belletristischen Texten ist noch keiner publiziert worden, doch des öfteren geht er mit Sybille Berg auf Lesetour. Peter Laus Miniaturen aus dem Arbeits-, Wirtschafts- und Privatleben seiner Figuren beschreiben völlig sinnentleerte, uninspirierte Lebenswelten, bei denen einen kaltes Grauen überkommt. Ein „Junger Mann an der Kasse eines Supermarktes“, ein anderer Mann, der seinen Job mit einer Mischung aus dümmlichem Stolz und genormten Sätzen erklärt, ein Unternehmensberater, der über die Stadt spricht - New York, Paris, Brüssel, London ist ihm alles eins - und ein „Optimist an der Tankstelle“, der „fernsehen, fernsehen, fernsehen“ toll findet - nur an dieser Stelle wird der leise Herr Lau laut und legt seinen ganzen Sarkasmus in seine Stimme. Seine männlichen Protagonisten sind Automaten der Konsumgesellschaft, die ohne Sinn und eigenen Verstand das Nachplappern und Nachleben, was ihnen vorgesagt und gezeigt wird - in erster Linie von den Medien. Ähnlich roboterhaft bewegen sich die weiblichen Figuren in Sybille Bergs Geschichten in ihrem neuen Roman „Ende gut“ und in anderen, teilweise unveröffentlichen Texten. Die fragile Diva mit der roten Hochfrisur liest mit leicht rauher Stimme und sachlichem Duktus ausnehmend pessimistische Momentaufnahmen aus der Massengesellschaft. Ein Sonnabendeinkauf bei IKEA und eine Pauschalreise an die türkische Riviera demaskiert sie als öde, primitive Veranstaltungen für Menschen, die wie Ameisen herumwuseln. Hatten die parodistischen Beschreibungen noch für amüsierte Lacher im Publikum gesorgt, so blieb manchem bei den Ausflügen in die inneren Welten Damen mittleren Alters das Lachen im Hals stecken. Beklemmend gleitet Frau Berg durch das Leben von zwei Sorten Frauen, den A´s und den B´s, die beide ihr Leben nach gängigen Klischees und Klatschgeschichten eingerichtet haben. Der Preis dafür ist Einsamkeit. Doch diese Einsamkeit haftet letztlich jeder ihrer Figuren an, und sie ist gekoppelt an einen ausgesprochen nihilistischen Lebensekel, der die Texte von Sybille Berg gelegentlich grenzwertig macht. „Wer glücklich ist in dieser Welt, muss geisteskrank sein“ – heißt es im Prolog des neuen Buchs mit dem sehr sinnigen Titel „Ende gut“. Denn erst, wenn man diese zweifellos schlechteste aller Welten durchquert hat, gibt es endlich etwas Gutes. Es ist das Ende.

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