
© Andreas Klaer
Kultur: In der Balance zu Hause
Wechselspielen auf der Spur: Rapunzel Bräutigams Ausstellung „Heilige Hochzeit“ im Pomonatempel Freude und Trauer, Festhalten und Loslassen, Entschlossenheit und Verzagtheit
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Auch der Philosoph Ernst Bloch stellte einmal diese Fragen „Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir?“. Mit diesen Worten traf er genau den Kern eines Rätsels, das den Menschen seit Anbeginn der Zeit zu beschäftigen scheint: die Frage nach dem Sinn des Lebens. Verschiedene Religionen, Weltanschauungen und Lebensstrategien geben ihre ganz eigenen Antworten darauf. Zu entscheiden, welche die richtige ist, bleibt aber wohl jedem selbst überlassen. In ihrer Ausstellung „Heilige Hochzeit“, die am Wochenende im Pomonatempel auf dem Pfingstberg eröffnet wurde, möchte Rapunzel Bräutigam einen Einblick in ihre Sicht auf die Welt und auf das Leben gewähren.
Wirkt der kleine Raum des Pomonatempels zunächst ein wenig kahl – es sind nur sechs Skulpturen und sieben Zeichnungen zu sehen – ist es der zweite Blick, der den Betrachter in Erstaunen versetzen kann. Beinahe als beträte man einen geheiligten Ort, geht von dem kleinen Raum eine Anziehungskraft aus, die, hat man erst einmal die Schwelle übertreten, einen nicht mehr so schnell loslassen will. Drei Figuren aus Raku-Keramik sind wie ein Altar in der Mitte auf einem kleinen, weißen zwei geteilten Podest platziert. Auf der linken Seite sind sie von zwei Tonschalen, auf der rechten von einer weißen Skulptur gesäumt, deren Sinn man im ersten Moment nicht wirklich einzufangen vermag. „Die Schalen stehen für das von Menschenhand Gemachte und die weiße Skulptur mit dem Titel ,Die Göttin’ steht für das Göttlich-Ewige. Zwischen diesen zwei Polen gefangen steht das Leben des Menschen: ,Die Aufblühende’, ,Die Fruchttragende’ und ,Die Weisheit’“, erklärt Rapunzel Bräutigam den Aufbau ihrer Ausstellung. Und die Zeichnungen an den Wänden? „Diese zeigen Berglandschaften, denn schließlich galten Berge in antiken Kulturen als heilige Orte.“
Einzig eine Zeichnung scheint nicht wirklich dazu zu gehören und doch ist sie es, die alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Die „Heilige Hochzeit“ ist namensgebend und das zentrale Werk der Ausstellung, die im Rahmen der Ausstellungsreihe „Tempeleien – vier Frauen verzaubern Pomona“ stattfindet. Mit ihrem Titel bezieht sich die Potsdamer Künstlerin auf ein Fruchtbarkeitsritual, das seit der Antike immer wieder Eingang in die verschiedensten Kulturen gefunden hat: Die symbolische Hochzeit der führenden Priesterin mit dem Herrschaftsregenten, deren Vereinigung die Fruchtbarkeit des Landes garantieren sollte. „Die Vereinigung von Mann und Frau, zweier Gegensätzlichkeiten, steht für die Balance zwischen zwei Polen“, erzählt Rapunzel Bräutigam, die sich schon seit einiger Zeit mit antiken Kulturen und deren enger Verbindung von gesellschaftlichem Leben und jahreszeitlichem Geschehen beschäftigt.
So wie ihr Leben stets vom Wechselspiel zweier gegensätzlicher Pole geprägt ist – Freude und Trauer, Festhalten und Loslassen, Entschlossenheit und Verzagtheit – thematisiert auch ihre Ausstelung diese Polarität zwischen Menschgemachtem und Göttlichem, zwischen Männlichem und Weiblichem. Jedoch ist es die Verbindung aus beiden, die für Rapunzel Bräutigam ein ausgeglichenes Leben ausmacht. Denn in der Balance zwischen den Polen fühle sie sich zu Hause. Mit dieser Suche nach Balance hat sie ihre ganz eigene Strategie entwickelt, der Antwort auf die Frage nach dem Leben und seinem Sinn vielleicht ein wenig näher zu kommen.
Die Ausstellung „Heilige Hochzeit“ ist bis zum 1. Juli im Pomonatempel auf dem Pfingstberg zu sehen. Geöffnet samstags, sonntags und feiertags 15-18 Uhr und zusätzlich vom 5. bis 29. Juli dienstags bis freitags 14-17 Uhr. Der Eintritt ist frei
Chantal Willers
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