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Kultur: In der Wüste liegt der Blues

Mit Dredg kommt kalifornischer Rock, ein wenig weichgespült, ins Waschhaus

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Mit Dredg kommt kalifornischer Rock, ein wenig weichgespült, ins Waschhaus Kalifornien, na klar. Eigentlich muss man bei Dredg nur genau hinhören, dann wird schnell klar, woher die vier Jungs kommen. Diese Gitarren, die sich irgendwo aus dem Hintergrund der Boxen auf den Weg machen, die Riffs schön trocken, schön kantig. Da braut sich was zusammen, denkt man kurz, und schon steht dieser Sound mit einer Breitbeinigkeit im Raum, die nur Platz lässt für die klare Stimme von Sänger Gavin Hayes. Auwei, auwei, wenn das die Nachbarn hören. Doch leiser drehen käme einem Frevel gleich. Rumpelt ein Sandsturm übers kalifornische Flachland, schont das auch nicht die Gehörgänge. Naturgewalten stellt sich niemand ungefährdet in den Weg. Genauso wenig wie dem bösen Rock“n“Roll im Breitwandformat aus dem Sonnenstaate Kalifornien, wie ihn Dredg gelegentlich zelebrieren. Einfach vorbeiziehen lassen und still halten, lautet da die Devise. Wird schon gut gehen. Danach scheint die Sonne wieder und garantiert auch viel schöner. Doch zuerst einmal die Sturmfront mit all ihren Tücken am Donnerstagabend im Waschhaus. Los Gatos heißt das Kaff an der Westküste Kaliforniens, in dem Gavin Hayes, Mark Engels, Drew Roulette und Dino Campanella Ende der 90er Jahre beschlossen, mit ihrer Combo Dredg den Staub vor der Haustür mal wieder richtig wirbeln zu lassen. So wie einst Kyuss, mit denen diese Musik ihren Anfang nahm. Zehn Jahre zuvor hatten in einem anderen kalifornischen Kaff, ein gutes Stück weiter südlich, ebenfalls vier Jungs beschlossen, der Wüste Saures zu geben. Palm Desert heißt dieses Örtchen, was so aufregend klingt wie Wanne-Eickel. Doch dem Freund fröhlichen Gitarrenradaus schlägt bei Erwähnung des besagten Palm Desert das bierselige Herz gleich doppelt so schnell. Kyuss raunt er ehrfürchtig und rollt verzückt die Augen. Die Musiker von Kyuss, so will es die Legende, hatten die Nase voll von den Sperrstundenregelungen in ihrer beschaulichen Heimatstadt. Da wurde ein Dieselgenerator auf einen Pickup geladen, dazu Gitarren und Verstärker und ganz weit raus ging es in den Wüstensand. Dort wurde gegen die Nacht angespielt. Lieder, die sich zogen. Riff auf Riff. Machtvoll verzerrt und leicht verschleppt. Ein staubtrockener, beinharter Blues. Die reinste Akkordgewalt, die einen überrollte, als gäbe es kein Morgen. Mit Kyuss kam der Stonerrock über die Welt und die Jünger ließen das Haupthaar fliegen. Das Aus für Kyuss kam 1995, die üblichen unüberbrückbaren Differenzen. Seit dem hat so mancher versucht, die Leere zu füllen. Gelungen ist es bisher niemanden. Dredg interessieren solche Gedanken nicht. In Los Gatos sind die Vier eine Sensation. Das einzige auf das die Stadt sonst noch stolz sein könnte, ist Ross MacDonald, Autor von Detektivromanen. Doch der ist auch schon seit 1981 tot. Da, so gesehen, berühmt sein in Los Gatos ziemlich einfach ist, zieht es Dredg hinaus in die Welt. Mit ihrem Debüt „Leitmotif“ setzten sie 1999 ein erstes, international noch eher verhaltenes Zeichen. Mit „El Cielo“, drei Jahre später auf dem Markt, wurden dann doch viele hellhörig. Da ging was im fernen Wüstensand. Zwar nicht so ruppig wie die Urväter Kyuss, doch den musikalischen Gepflogenheiten ihres heimatlichen Landstrichs verpflichtet. Man hört Dredg und glaubt, diese Musik zu kennen, um dann doch eines Besseren belehrt zu werden. Mit ihrem aktuellen Album „Catch with your arms“ ziehen Dredg derzeit durch die europäischen Clubs. Sie präsentieren sich harmonischer, manchmal sogar poppig. Aber diese Ruhe ist sehr trügerisch. Schließlich steckt der Wüstenteufel mit seiner gefürchteten Wildheit im musikalischen Detail. Immer dran denken: Da braut sich schnell mal was zusammen. Dirk Becker Dredg spielen am Donnerstag, dem 15. September, um 21 Uhr im Waschhaus. Karten an der Abendkasse kosten 18 Euro.

Dirk Becker

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