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Kultur: In die Röhre geguckt

Wie lebendige Gemälde: Stan’s Cafe mit „The Cleansing of Constance Brown“ in der Schinkelhalle

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Das Bild ist vertraut. Jemand schreitet langsam durch einen langen Gang. Der Klang gleichmäßiger Schritte hallt zurück. Abwechselnd erscheint die Silhouette im Schatten oder im Lichtstrahl der Deckenlampen. Es könnten Agenten mit Aktentaschen sein, schreitende Königinnen oder Polizeitruppen im Einsatz. Die szenischen Abgänge zeigen dann einen Ehemann auf dem Weg zur Arbeit, ein Flüchtender verschwindet um die hinterste Ecke, ein Wartender wird endlich in ein Zimmer gebeten.

Korridore sind Durchgangsorte. Meistens betritt man sie mit einem Ziel. Man durchquert sie, ohne darüber nachzudenken, dass Korridore ein Eigenleben haben, in Büroetagen, auf Ämtern, Hotels, Wohnhäusern. Nachts, wenn nur noch das schale Notlicht sie beleuchtet, werden sie zu einem Ort, an dem sich alles ereignen könnte. Wenn die Dämmerung kommt, beseitigen müde Putzfrauen und Handwerker die Spuren des vergangenen Tages. Korridore sind voller Geheimnisse. Hinter jeder ihrer Türen könnte sich eines verbergen.

In der Schinkelhalle wurde am vergangenen Samstagabend das Wesen des Korridors erforscht. Die britische Theatergruppe mit dem Namen "Stan's Cafe" hat mit „The cleansing of Constance Brown“ den Korridor im buchstäblichen Sinne zur Bühne gemacht. Technisch aufwendig mit sieben Darstellern und achtundsechzig Rollen in siebzig Minuten.

Ein langer Flur wird zum Ort der Inszenierungen. Die Zuschauer gucken buchstäblich in die Röhre. Viele Szenenbilder scheinen aus Filmen oder dem Fernsehen vertraut, aus Serien wie Mad Men, Tatort oder Kinofilmen. Erinnern nicht einige Bilder auch an das, was in den Nachrichten gezeigt wird? Folter von Gefangenen? Dann wieder ganz Alltägliches wie Parties, Tratsch, Begegnungen auf Hausfluren.

Geschäftig rennen die Schauspieler zwischen den Türen hin und her, mal mit Akten mal ohne, mal schimpfend, mal scherzend. Oder sie stehen als Bodyguards im Hotelflur. Sie versetzen den schwarzen Gang, der sich nie verändert, durch ihre Gesten an andere Orte oder in andere Zeiten. Die Zuschauer sehen nur, was sich zwischen den Räumen abspielt, höchstens Schatten, Spiegelbilder oder die Reflexionen auf den Gesichtern verraten was drinnen passiert.

Manche Szenen erzählen längere Geschichten, andere sind nur ganz kurze Momentaufnahmen, fast wie lebendige Gemälde, die auftauchen und sich dann schnell wieder auflösen; eine Dämonenaustreibung, eine barocke Königin. Manchmal hinterlassen die Figuren Spuren. Flecken an der Wand, die in der nächsten Szene von jemandem entdeckt werden. Und es ist immer dieser Raum ganz vorne rechts, in dem die schrecklichsten Dinge zu passieren scheinen. Was genau ist jedoch unwichitg.

Gesprochen wird nur in der ersten und der letzten Minute des Stückes. Dazwischen unverständliches Murmeln. Manchmal scheppert die musikalische Klangkulisse unerträglich aus den Lautsprechern. An einigen Stellen halten sich die Zuschauer die Ohren zu. Ein paar akustische Verschnaufpausen hätten ganz gut getan.

In den letzten zwanzig Minuten des Stücks scheinen alle räumlichen Spielarten des Korridors bereits durchgespielt zu sein und die Bilder fangen an, sich zu wiederholen, so dass die Spannung umschlägt in Ungeduld. Dreimal kündigt sich ein Finale an und dann kommt doch noch ein Bild. Durch das allerletzte dürfen die Zuschauer dann nach draußen klettern. Selten verlässt man eine Vorstellung so benommen. Und dann kommt einem der Titel des Stücks noch mal in den Sinn. Wer ist eigentlich Constance Brown?

„The cleansing of Constance Brown“, Schinkelhalle, Schiffbauergasse, Montag und Dienstag 11 und 20 Uhr, Mittwoch 11 und 19.30Uhr

, ine Zimmer

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