zum Hauptinhalt

Kultur: In die Tiefe

Das Schuppanzigh-Quartett spielt Haydn

Stand:

Oft sind sie nur „Vorspeise“, die Streichquartette von Joseph Haydn. Vielleicht liegt es an ihrem sanften Charakter, der „Schönheit, Ordnung, Reinheit“ in Haydns Stücken, wie der bekannte Bariton Giuseppe de Luca es nannte, die Musiker dazu verleiten, eines der über 80 Streichquartette an den Anfang eines Konzerts zu stellen. Als Aufwärmübung, bevor die wahren Brocken kommen. Wohlklang, der schnell mit Oberflächlichkeit verwechselt wird.

„Haydn ist der Prüfstein für jedes Streichquartett“, sagt Anton Steck. Von Vorspeise könne da keine Rede sein. Die feinen Formen in dieser Musik hervorzubringen, die Tiefen, den Ideenreichtum, das sollte eigentlich Herausforderung für jeden Instrumentalisten sein. Seit gestern ist der Violinist Anton Steck mit Antje Geusen (Violoncello), Franc Polman (Violine) und Christian Goosses (Viola) – zusammen das Schuppanzigh-Quartett – für vier Tage in der Andreaskirche in Wannsee, um dort drei Quartette von Haydn für eine neue CD aufzunehmen. Heute Abend stellt das Schuppanzigh-Quartett, das als eines der renommiertesten Streichquartette auf Originalinstrumenten gilt, diese Stücke in einem Konzert im Potsdamer Kammermusiksaal Havelschlösschen vor.

Nach einer intensiven Probenwoche und einem Konzert in Köln sind die Musiker, die über ganz Deutschland verteilt leben, nach Berlin gekommen, wo die Cellistin Antje Geusen lebt und arbeitet. Am Montag und Dienstag haben sie in ihrer Wohnung die letzten Proben gespielt und sich die Zeit für ein Gespräch genommen.

Die Aufnahmen in der Andreaskirche, die im Spätsommer 2008 auf den Markt kommen sollen, werden kein Schlusspunkt sein, sondern nur ein Zwischenstand einer ständigen Auseinandersetzung mit Haydn. „Proben kann man nie genug“, sagt Antje Geusen. Und eigentlich müsse man auch viel mehr Konzerte spielen. Denn erst durch das Zusammenspiel eröffnen sich immer neue Perspektiven und Interpretationsmöglichkeiten. So wollten die Musiker das Streichquartett in A-Dur, Opus 9/6, das zu den früheren Quartetten Haydns zählt, anfangs heftiger und zupackender spielen. Doch je öfter sie das Stück gespielt, sich Probeaufnahmen angehört hätten, seien sie zu dem Schluss gekommen, dass die Feinheiten in dieser Komposition einen zurückhaltenden Zugriff benötigen, um in ihrer Tiefe für den Zuhörer erfassbar zu werden. „Diese Stücke entwickeln sich immer weiter“, so Antje Geusen.

Neben dem Streichquartett in A-Dur haben sich die Musiker für das so genannte „Froschquartett“ in D-Dur, Opus 50/6 und das Streichquartett in C-Dur, Opus 74/1 aus den späteren Jahren von Haydns kompositorischem Schaffen entschieden. „Drei ganz unterschiedliche Quartette“, sagt Anton Steck, deren Auswahl nicht leicht gefallen sei bei der „Überqualität“ von Haydns Kompositionen. Aufnahmen für zwei weitere Veröffentlichungen von Haydn-Quartetten sind für das kommende Jahr geplant. Liegt der Schwerpunkt im Schuppanzigh-Quartett derzeit auch deshalb auf diesen Komponisten, weil anlässlich seines 200. Todestages 2009 das Haydn-Jahr ansteht?

„Haydn begleitet uns seit unserer Gründung vor elf Jahren“, sagt Steck. Das habe auch mit dem Namensgeber des Quartetts, dem Geiger Ignaz Schuppanzigh zu tun. Schuppanzigh, der 1796 das erste in fester Besetzung spielende Streichquartett gründete, hatte sich intensiv mit Haydns Kompositionen auseinandergesetzt. Diese Auseinandersetzung ist auch für die vier Musiker Pflicht.

Die Noten auf dem Papier sind das eine. „Uns geht es auch darum, Einblick in die damalige Situation zu bekommen“, so Anton Steck. Dabei gehe es weniger darum, wann, wo und mit wem Joseph Haydn Tee getrunken hat. Wie hat er gelebt, mit welchen Musiker konnte er arbeiten, mit welchen Komponisten sich austauschen. Erst diese Auseinandersetzung ermögliche ein Vordringen in die Tiefe, ein klares Verständnis für die Feinheiten dieser Musik. Oder, um beim einleitenden Bild zu bleiben, aus der Vorspeise Haydn eine Hauptspeise zu machen. Dirk Becker

Das Konzert mit dem Schuppanzigh-Quartett beginnt heute, um 20 Uhr, im Kammermusiksaal Havelschlösschen, Waldmüllerstraße 3. Der Eintritt kostet 25 Euro, Karten wegen der begrenzten Plätze reservieren unter Tel.: (0331) 748 14 96.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })