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Serdar Somuncu, hier bei einem Auftritt in einer Fernseh-Comedyshow.

© dpa (Archiv)

Serdar Somuncu wütete im Waschhaus: In ekliger Hinsicht

Der Satiriker Serdar Somuncu kratzt gerne an gesellschaftlichen Werten, kämpft für die Freiheit der Satire und erklärt als "Hassias" die Welt. In Potsdam kam das wieder gut an.

Stand:

Potsdam - Satire blüht. In Zeiten der Unzufriedenheit, des Aufruhrs, der Neubewertung des Althergebrachten ganz besonders, das ist ja keine neue Erkenntnis. Und ganz offenbar sind wir da wieder mittendrin, wenn man die Allgegenwärtigkeit satirischer Ausschweifungen betrachtet: Es wird überzogen, überspitzt und überworfen. Satire ist gerade wieder ein politisches Element geworden – weil sie eben eine eigene Erklärungsebene ermöglicht: Was der Lächerlichkeit preisgegeben wird, wirkt erstens sofort viel weniger dämonisch, man kann es klein lachen. Und weniger Angst tut den oft aufgeheizten Diskursen immer gut. Zugleich offenbart Satire aber auch einen grausamen Realitätsbezug, insbesondere die politische Satire. Sind die Zustände in dieser Welt wirklich so schlimm? Offenbar schon.

Somuncu ist Stammgast in Potsdam

Serdar Somuncu – Deutschtürke, Halbtürke, Vorzeigedeutscher – gehört zu diesen Satirikern, die mit Lust an gesellschaftlichen Werten kratzen und nur zu gern schlecht heilende Wunden hinterlassen. Dabei ist das Musikprogramm, mit dem er am Mittwochabend unter dem Namen „Sexy Revolution“ in der Waschhaus-Arena gastierte, nicht mal neu, Somuncu ist ja Stammgast in Potsdam. Trotzdem rennen sie ihm die Bude ein. Wohl aus Sehnsucht danach, dass der selbst ernannte „Hassias“ – die antichristliche Version des Messias – doch mal die Welt erklären möge.

Und das macht er gern. „Hat die Kanzlerin nichts Besseres zu tun, als das Neo Magazin zu gucken?“, raunzt er ins Mikrofon. Klar, dass er sich zu seinem Freund Jan Böhmermann positioniert, gegen den gerade die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil er den türkischen Präsidenten in einem Schmähgedicht als „Ziegenficker“ bezeichnet hat. Nicht, weil er Erdogan für einen solchen hält, sondern weil er den Unterschied zwischen Satire und Schmähung deutlich machen – und uns alle vorführen wollte.

Eine Lanze für die Freiheit - auch die Freiheit der Satire

Etwas, das Somuncu nur allzu gern aufgreift. „Gehen Sie doch nachher zum türkischen Botschafter und zeigen Sie mich an. Hab ich voll Bock drauf!“ Das ist keine Lanze für Böhmermann, die Somuncu da bricht, sondern eine für die Freiheit, die immer auch die Freiheit der Satire bedeutet. Von den Humorlosen lässt sich Somuncu nicht die Welt diktieren. Von Attentätern etwa: „Ich sprenge mich in die Luft, sehe aber das Ergebnis meiner Tat nicht. Voll langweilig!“ Nicht mal ein Selfie mit den Toten könne man noch machen. Aber – huch – in Deutschland mache man darüber keine Witze. Da hat man Angst. Der Deutsche, sagt Somuncu, kann erst schlafen, wenn Peter Klöppel im Fernsehen sagt, dass alles gut ist. Oder wenn irgendetwas zum Vögeln da ist.

Fast ist einem ein bisschen unwohl dabei: Dass er sich so befreiend anfühlt, der ganze vulgäre, präpotente Schmutz, der aus Somuncus Kunstfigur herausquillt. Aber wozu gibt es denn die ganzen Vulgärismen, wenn man sie nicht benutzen darf? Vielleicht ist diese Verklemmtheit schuld daran, dass wir uns nicht vorstellen können, ob Frauke Petry rasiert ist oder Burkas nichts anderes als Reizwäsche für Pierre Vogel sind. Und beide uns dadurch fremd und dämonisch scheinen. Seine Feinde aber sollte man besser kennen. Somuncu hingegen kann es sich vorstellen – und dekliniert solche Tabus bis ins letzte eklige Detail durch. Erdogan etwa kann das nicht. Und ist somit der Verlierer. 

Oliver Dietrich

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