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Kultur: In Kartzow: „Beethoven in Potsdam“

An Umfang zwar, nicht aber an Wärme gemindert, wurde letzten Sonnabend die zehnte Saison der Kartzower Sommerkonzerte in der alten Dorfkirche eröffnet. Wie immer stand ein Thema mit „Potsdam-Bezug“ auf dem Programm, ausgeforscht und zusammengestellt von dem Berliner Wolfgang Wirth, vorgetragen diesmal durch Kulturbund-Chefin Carla Willwock.

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An Umfang zwar, nicht aber an Wärme gemindert, wurde letzten Sonnabend die zehnte Saison der Kartzower Sommerkonzerte in der alten Dorfkirche eröffnet. Wie immer stand ein Thema mit „Potsdam-Bezug“ auf dem Programm, ausgeforscht und zusammengestellt von dem Berliner Wolfgang Wirth, vorgetragen diesmal durch Kulturbund-Chefin Carla Willwock. Der emeritierte Pfarrer Herwig Schworm schien über den regen Besuch nach „zehnmonatiger Abstinenz“ doch etwas überrascht, das uralte Dorf sah etliche Autos aus Potsdam, mehr noch aus Berlin. Vielleicht hing dies mit dem Thema zusammen, denn die erste „Stunde der Einkehr“ 2007 war Beethovens Zeit in den beiden Städten gewidmet.

Nach dem Willen des „Musikdramaturgen“ Wirth sollten vornehmlich bekannte Kompositionen des Bonners erklingen, der Poesiealbum-Eintrag „An Elise“ zuerst, dann die Sonate in F-Dur op. 24, der erste Satz aus der Mondschein-Sonate sowie einige Lieder. Am E-Piano wieder der bewährte Werner Scholl, an der Violine Elena Ashkenasy, dem Publikum gleichfalls bestens bekannt.

Man muss den lokalen Patriotismus nicht übertreiben, doch ab und an ist es schon von Nutzen, sich der Präsenz alter Promis in Potsdam zu erinnern: Beethoven traf hier im Juni 1796 auf Empfehlung des Fürsten Lichnowsky ein, welcher schon Mozart den preußischen Hof empfahl, mithin „den Einsatz des preußischen Königs für deutsche, zeitgenössische Talente“, wie Wolfgang Wirth (leider verhindert) in seinem Text mitteilt. Der 25-jährige Beethoven war in dieser Zeit zuerst durch die Kraft seiner Klavier-Improvisationen bekannt. Hatte er Friedrich Wilhelm II. auch zwei Sonaten für Violoncello und Klavier Opus 5 F-Dur und g-Moll gewidmet, so trat er im Musikzimmer des Marmorpalais selbst auf den Plan: Bettina von Arnim erinnerte sich, dass der junge Feuerkopf „ohne die Versammlung der erlauchten Zuhörer auch nur mit einem Blick zu grüßen“, energischen Schrittes zum Instrument eilte und so in die Tasten schlug, dass der König „nahe dran war, aufzuspringen und sich diese Misshandlung seines kostbaren Silbermann-Flügels zu verbitten“. Nach dem Konzert war es sehr still, die Lakaien vergaßen, die Kerzen anzuzünden. Erst als der Maestro aufstand, löste sich die Spannung. Der König urteilte tief beeindruckt: „Das war das Außerordentlichste, was ich jemals gehört habe“ – und schenkte ihm zum Abschied eine goldene Tabakdose voller Louisdors. Man hätte es zwar gern gesehen, wenn er bliebe, doch Beethoven wählte eine andere Art der Referenz, er komponierte die Bühnenmusik zu Friedrich Dunckers Schauspiel „Eleonore Prohaska - das Heldenmädchen von Potsdam“ und den „Marsch des Yorckschen Corps“. Bekannt sind seine Kontakte mit der Kronprinzessin Luise, mehr noch mit dem fast gleichaltrigen Prinz Louis Ferdinand, dem er sein Klavierkonzert c-Moll op. 37 widmete. Einer neuen Oper scheiterte an der Knauserigkeit „dieser hiesigen Direktion“. Fast wie heute.

Viel schöne Musik an diesem Nachmittag, viel Eingedenken, eine wunderbare Atmosphäre wie immer. Dankbarkeit. Aber was wäre so eine „Stunde der Einkehr" ohne die Worte von Herwig Schworm: Vor dem anschließenden Picknick verabschiedete er die Gäste seiner Kirche im Eingedenken, dass „wir immer von Größerem umgeben sind“. Das trifft auch auf Beethoven zu.Gerold Paul

Nächstes Konzert in der Kirche Kartzow: 11. August, Polizeiorchester Berlin mit geistlichen Werken

Gerold Paul

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