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Kultur: In Katalanien

Nuria Rial und das Ensemble L’Arpeggiata

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Es muss ein guter Geist gewesen sein, der das Ensemble L’Arpeggiata und die Sopranistin Nuria Rial für ein Konzert mit katalanischen Liedern zusammengebracht hat. Schon seit Jahren musizieren die fesche Alte-Musik-Band von Christina Pluhar und die gefeierte Sängerin gemeinsam. Doch erst den Musikfestspielen Sanssouci gelang die Realisierung dieser so einleuchtenden Kombination, dass man sich wundert, wieso vorher noch keiner darauf gekommen ist. Im ausverkauften Nikolaisaal feiert das Publikum eine Sternstunde der mediterranen Musik, bei der Nuria Rials glockenreine Sopranstimme mit den farbigen und filigranen Klängen von L’Arpeggiata perfekt harmonieren. Für die ganz spezielle Aura des Abends sorgt ein individuelles Element, denn das Singen der vertrauten Lieder in ihrer Muttersprache bereitet Nuria Rial sicht- und hörbar große Freude.

Katalanische Musik repräsentiert die bewegte Geschichte eines uralten iberischen Volks, das im 13. Jahrhundert zu einer bedeutenden Macht im Mittelmeer aufstieg. Ins Abseits geriet die katalanische Kultur zuerst während der dreihundertjährigen Unterdrückung durch die bourbonischen Herrscher. Seit dem Ende der Franco-Diktatur melden die Katalanen erneut verstärkt nationale Ansprüche an, über die bei einem mit Spannung erwarteten Volksreferendum im November dieses Jahres entschieden werden soll. Indessen sagte Nuria Rial einmal, dass die Katalanen bei ihren Abgrenzungswünschen manchmal zu weit gehen. Kein Wunder, schließlich ist die Musik schon immer das Medium, das Grenzen überschritten hat und gerade daraus neue Kraft gewonnen hat. So auch beim Konzert mit L’Arpeggiata im Nikolaisaal, wo die Dimensionen von Volkslied und Kunstlied, Tradition und Moderne neu vermessen werden. Bei Canario, Fandango, Ciaccona und Jota marineira, Tänzen aus dem Archiv der mediterranen Musik, swingen die altertümlichen Instrumente der zehn famosen Musiker ganz modernistisch. Mit ihrer schon optisch hervorstechenden Theorbe setzt Christina Pluhar markante, ostinate Basslinien, zu denen Psalterion und Barockharfe silbern klingeln, Cembalo und Klavier edel perlieren. Doron Sherwin bringt auf dem Zink so subtil gerundete Töne hervor, dass man nie wieder eine Trompete hören möchte. Der Perkussionist David Mayoral spielt treffsicher ein ganzes Arsenal von Handtrommeln, Tambourins bis hin zu Kastagnetten. Auf Veronika Skupliks Barockgeige erklingt ein ausladendes Solo, das wie eine Improvisation anmutet, aber eben nur fast.

Manchmal streifen die Klänge wie ein zu parfümierter Hauch von Duftspray vorüber, verführerisch mit erfrischenden Kopfnoten. Doch darüber strahlt Nuria Rials phänomenale Stimme mit einer dermaßen schmelzenden Weichheit, zarten Klarheit und lieblichem Piano wie derzeit wohl keine zweite Sängerin. Damit verleiht sie katalanischen Klassikern wie der Ballade von der traurigen „Dama d’Aragó“, der lyrischen „Filadora“, dem lautmalerischen „La ploma de perdiú“ und dem wunderbaren „Cant dels aucells“, der heimlichen Hymne von Katalonien, überirdisch schönen Ausdruck. Gebannt lauschen die Zuhörer wie versetzt in eine andere Welt. Die meditative Versenkung entlädt sich mit prasselndem Applaus, dem mit zwei Zugaben gedankt wird. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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