Kultur: In nur einer Nacht
An Überraschungen mangelt es in Potsdam nie. Manche sind erfreulich, manche weniger
Stand:
Der Flop. Wenn die Erwartungen groß sind, ist die Enttäuschung oft umso größer. So war es bei der ersten Premiere am Hans Otto Theater in diesem Jahr. Das junge Regie- und Bühnenbild-Duo Alexander Nerlich und Wolfgang Menardi hatte mit seinem „Faust“ im Jahr zuvor ja die Theaterszene überrascht. Nun wartete man gespannt auf den „Hamlet“ der beiden. Doch was machte der? Tobte und wütete, krakeelte und brüllte – man konnte ihn einfach nicht ernst nehmen. Die Hormone, dachte man, dazu die verzwickte Familiensituation. Der beruhigt sich schon wieder. Das Traurige: Man dachte das die ganze Zeit. Die Schauspieler – allen voran Alexander Finkenwirth als Hamlet und Zora Klostermann als Ophelia – taten einem leid. Weil man wusste: Sie können es so viel besser. Nerlich und Menardi übrigens auch, das zeigten sie bei „Geschichten aus dem Wienerwald“ ein paar Monate später.
Die Rückkehr. Dass es in Potsdam doch noch eine Metalszene gibt, war in diesem Jahr deutlich spürbar: Cancer Clan brachten ihr erstes Album als Schallplatte raus, Sunna Sepdoom machten Death Metal bei Konzerten im Club Charlotte und im Archiv wieder salonfähig – und die Überraschung des Jahres lieferten Madstop mit ihrem Thrash-Album „Lobotomizer“ und der Record-Release-Party im November im Spartacus. Damit gehört Krach wieder genauso zu Potsdam wie Sanssouci.
Die Überraschung. Die Schiffbauergasse gilt ja meist als totsaniert. Der Inbegriff der neuen Potsdamer Spießigkeit. Dass man dort trotz sauberer Toiletten Spaß haben kann, merkt man, wenn man mal hingeht. Wie etwa die rund 30 000 Besucher, die es allein zu „Stadt für eine Nacht“ dorthin zog – und die den Titel wörtlich nahmen und die Nacht zum fieberhaft-rauschenden Fest machten. Und das auch noch über alle Schichten und Gräben hinweg, die Potsdam sonst so oft spalten: Hoch-, Klein- und Subkultur, Alte und Junge, Jazz-Freaks, Muttis und Elektro-Jünger taumelten gemeinsam selig über das zwölf Hektar große Areal. Übers Jahr verteilt kommen übrigens allein ins Waschhaus 120 000 Leute, die gesamte Schiffbauergasse hat rund 350 000 Besucher. alm/old
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: