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Begehbar. Die.Puntigams Bilder.

© A. Klaer

Kultur: In parallelen Welten

Eine Performance mit animierter Lichtmalerei eröffnete im museum Fluxus + die Ausstellung „Parallelwelten“

Stand:

Transparentfolie, in zwei Bahnen straff gespannt, umfängt den mädchenhaften Körper. Im schmalen Zwischenraum bewegt sich die Tänzerin wie in einem zu eng gewordenen Kokon. Eingetaucht in Lichtwirbel und sphärische Klänge sprengt sie endlich die Hüllen und blickt staunend in das Licht dieser Welt. In wechselnden Stimmungsbildern wird die blütenweiße Tänzerin Beatrix von Schrader erst zaghaft, dann immer lebhafter den Zyklus vom Werden und Vergehen nachvollziehen.

Als ihr Körper im Schlussbild wie leblos am Boden ruht, entzündet ihr Alter Ego in Dunkelrot (Rapunzel Bräutigam) bedeutungsvoll ein kleines Licht. Noch ist sie dem Performance-Publikum am Freitag im atrium des museum Fluxus + ein gutes Stück voraus. Die neun Skulpturen aus ungebranntem Ton, die sie inklusive der Sockel in den vergangenen 45 Minuten der Reihe nach feierlich ins Halbdunkel hineingestellt hat, sind ihre eigenen Geschöpfe: Von der Bildhauerin geschaffene weibliche Personifikationen einzelner Lebensstationen – von der Geburt bis zum Tod. Für die Zuschauer sind die statischen Figuren im ständig wechselnden Licht eher schwer erkennbar. Unmittelbarer fassbar wird somit das zyklische Geschehen vom Werden und Vergehen durch die Aktionen der Tänzerin ganz in Weiß. Auch durch die Effekte der Lichtmalerei, bei denen die weiße Gestalt zur attraktiven Projektionsfläche wird, steht sie im eigentlichen Fokus des Geschehens.

In der Performance sollen sich die polaren Kräfte des Lebens vereinen. Männliches und weibliches Prinzip treffen aufeinander, Neues entsteht. Während die weiblichen Akteure den Lebenszyklus versinnbildlichen, verbleiben ihre männlichen Gegenspieler am Keyboard (David Timm) und Tagtool (Die.Punitgam) unauffällig im Hintergrund. Die Frauen schreiten den Raum ab, den der Maler und Performer Die.Puntigam zuvor rundum mit bemalten Papierbahnen zu einem begehbaren Kunstwerk verwandelt hat. Mit schwarzer Tusche sind Spuren wie Zeichen mal gepinselt, mal gesprüht. Die stellenweise aufgebrachten kleinen Collagen gehen im Wirrwarr der schwarzen Kringel und Chiffren unbemerkt auf. Die.Puntigam, 1974 in Graz geboren, arbeitet in seinen Performances mit animierter Lichtmalerei. Mit einem „Tagtool“ lassen sich Strichstärke und Farbigkeit der am digitalen Zeichenbrett entstehenden Bilder steuern. Die spontan entstehenden Zeichnungen werden auf Wände und sich bewegende Körper projiziert.

Die sonst effektvoller ausfallenden Tagtool-Events von Die.Puntigam wirken bei seiner ersten Potsdamer Performance eher blass. Immerhin scheint die flüchtige, unruhige Zeichenspur des Tagtools auch auf den Duktus abzufärben, wie der Maler seine Tuschzeichnungen gestenreich auf Papier im großen Format verteilt. Die schwarzen Zeichnungen auf Papierbahnen, mit denen er das atrium für seine Ausstellung „Parallelwelten“ komplett ausstaffiert hat, sind hier nun für die nächsten drei Monate zu sehen.

Am Tag der Finissage werden sie zusammen mit den neun Skulpturen von Rapunzel Bräutigam in den Schirrhof gebracht. Das Projekt „Parallelwelten“ kulminiert demnach in einem Transformationsereignis im Beisein der Öffentlichkeit. Die Personifikationen des Lebenszyklus werden, eingehüllt in die papiernen Zeichnungen, in einer Art Ritual, dem Feuer übergeben. Erst durch den etwa zweistündigen Brand erhalten die Figuren ihre endgültige Farbe und Kontur, derweil die Zeichnungen – untermalt von Percussionklängen – in Schall und Asche aufgehen. Die dabei vorstellbaren Bilder hat die Tänzerin Beatrix von Schrader bereits sehr genau vor Augen. Trotz innerer Vision besteht für sie im Experiment, in der Ergebnishoffenheit der entscheidende Reiz. Leben ist Kunst, Kunst ist Leben, ist Fluxus – auch bei ihr im Schwange. Jenseits von musealem Fluxus verspricht das „Parallelwelten“-Finale Fluxus-Feeling life. Almut Andreae

Geöffnet: Mi-So 13-18 Uhr. Finissage am 28. Mai, 21 Uhr, im atrium und auf dem Schirrhof, Schiffbauergasse 4f.

Almut Andreae

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