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Kultur: In Potsdams dunklen Gassen Lesung bei Wist aus dem

Krimi „Wo die Angst ist“

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Die Gesichter verängstigter Menschen auf den Fernsehbildschirmen oder die grausamen Geschichten in den Zeitungen – sie zeigen, wie schnell Hass und Brutalität das Leben verändern können. Aber immer weit weg, fernab von einem selbst. Fremde Menschen in fremden Städten. Immer nur die anderen.

Dinah Marte Golch holt in ihrem Roman „Wo die Angst ist“ Grauen, Gewalt und Mord nach Potsdam und lässt die einst so sicheren Straßen zu dunklen Gassen werden. Am kommenden Montag liest die Autorin aus ihrem Potsdam-Krimi im Literaturladen Wist.

Der Schnee am Havelufer ist rot verfärbt, als Hauptkommissar Sigi Kamm am Tatort ankommt. Das Opfer, der 19-jährige Türke Noyan Akay, ist mit schwersten Verletzungen am Kopf schon längst auf dem Weg ins Krankenhaus zu einer Notoperation. Die Chancen stehen schlecht. In dieser blutigen Szenerie beginnt für Sigi Kamm ein Kampf gegen unterschiedliche Fronten. Dabei wird ihm mit der Psychologin Alicia Behrens, die für ihre unkonventionellen Therapiemethoden bekannt ist und mit der Kamm schon einmal aneinandergeriet, auch noch eine unliebsame Verstärkung zur Seite gestellt. Schnell wird ein rassistisches Motiv zum zentralen Punkt der Ermittlungen gegen eine Gruppe Neonazis. Doch wieso gibt es diese vielen Ungereimtheiten in der Aussage des einzigen Zeugen Rüdiger Brandt? Was verschweigt Noyans bester Freund den Ermittlern? Und welche Rolle spielt Brandts 14-jährige Tochter bei der ganzen Sache? Kamm und Behrens finden sich schnell in einem Netz voller Lügen wieder. Der Aufgabe, dieses zu lösen, steht immer die Angst voran, etwas zu übersehen, einen Fehler zu begehen. Der erste Fall für das ungleiche Paar Sigi Kamm und Alicia Behrens wird zu einer Zerreißprobe.

Mit ihrem Krimi-Debüt ist Dinah Marte Golch eine fesselnde Geschichte gelungen, in deren Wendungen sich der Leser erst einmal zurechtfinden muss. Mit unglaublichem Einfühlungsvermögen porträtiert sie die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppen und zeigt selbst dem langjährigen Potsdamer eine zwar fiktive, aber doch vollkommen andere Facette seiner Stadt.

Die Autorin von über fünfzig „Tatort“-Drehbüchern und Serien wie „Edel und Stark“, „Der Bulle von Tölz“ und „Berlin, Berlin“ sowie der Krimi-Reihe „Stadt, Land, Mord!“ nutzte ihre vielen Erfahrungen im Kriminalgenre, die man in ihrem ersten Roman deutlich spürt. Sie baut eine unglaubliche Spannung auf, die es dem Leser schwermacht, das 314 Seiten fassende Buch wieder aus der Hand zu legen. Schon 2011 wurde sie für ihr Drehbuch von „Tatort: Nie wieder frei sein“ mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Deutschen Fernseh-Krimi-Preis ausgezeichnet.

Neonazis, Mord und Gewalt in Potsdam, gerne würde man als Potsdamer die Augen davor verschließen. Doch „Wo die Angst ist“ zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass auch in dieser Stadt, die gerne mit Prunk protzt und prahlt, hinter der Fassade eine ganz andere Seite schlummert. Eine Seite, auf der die heimischen Orte im Kopf an Düsterheit und Gefährlichkeit hinzugewinnen. Und dass das Böse nicht nur irgendwo weit weg in der Welt ist, sondern auch hier, direkt vor den Potsdamer Haustüren. Chantal Willers

Lesung Montag, 9. September, 19 Uhr, Literaturladen Wist, Dortustraße 17, Eintritt 5 Euro. „Wo die Angst ist“ erscheint im Verlag Kiepenheuer&Witsch für 14,99 Euro

Chantal Willers

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