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Kultur: In traumwandlerischer Atmosphäre
Der isländische Künstler Olafur Arnalds gastierte mit seiner „Trio Tour“ im Lindenpark
Stand:
„Rock’n’Roll ist auch nicht mehr das, was er mal war“, brummelt der Zuspätkommende leise vor sich hin. Zu viel Pünktlichkeit bei einem Konzert wie am Donnerstagabend, wo beinahe Schlag 21 Uhr der 23-jährige isländische Künstler Olafur Arnalds an seinem einnehmenden Flügel auf der Bühne des gut gefüllten Lindenparks sitzt und sein aktuelles Konzert zur „Trio Tour“ eröffnet.
Wer jetzt noch nicht platziert, gar noch eilig auf dem Weg in Richtung Veranstaltungsort ist, erntet ärgerliche Blicke vom Einlass, hatte der Künstler sich einen Nacheinlass doch strikt verbeten. Und als dann in den Songs, die sich, unterstützt von Geiger Victor, Cellist Paul und dem unerlässlichen Soundcomputer, wie überirdische Traumgebilde auf den Saal legen, immer mal wieder die Türen knarren, ahnt man, dass seine Bitte tatsächlich nicht ganz unberechtigt ist.
Hier hat sich ein Künstler der Klassik und der elektronischen Musik gleichermaßen verschrieben und arrangiert seine Stücke, die bei den Kritikern auf große Begeisterung stoßen, so zart, so filigran und entschleunigt, dass jedes Nebengeräusch als störend empfunden werden muss.
Doch Olafur Arnalds bleibt souverän, lässt sich keinen Ärger anmerken, weiß das Publikum zu unterhalten, erzählt von der Tour in Polen, von schlaflosen Nächten im Tourbus auf schlechten Straßen, die den Künstler schließlich dazu zwingen, jede Menge polnischen Wodka zu konsumieren und deren Resultat der mit grüblerischem, zweifelndem Grundgefühl aufgeladene Song „Poland“ ist.
Schön auch die Geschichte mit dem verpatzten Werbesong, der den Auftraggebern nicht stupide genug war. Ein Titel über Busstopps, den der Künstler trotzdem veröffentlicht und der die Hörer bei Youtube immer wieder zu der Annahme hinreißen lässt, der Musiker wäre so wunderbar tief verwurzelt in der isländischen Natur mit ihren Bergen, Gletschern und Seen. Das bringt den Künstler zum Lachen, ist der Song doch ganz schnöde einer über Bushaltestellen!
Doch halt, schnöde ist hier eigentlich gar nichts. Die Stücke, die den Abend für eineinhalb Stunden füllen, unterscheiden sich oft nur in Nuancen, sind aber so unpretentiös und archaisch, dabei ganz genau und ungeheuer intensiv, interpretiert von drei Musikern, die sich vollständig einlassen auf das, was sie tun. Über jedem der drei Künstler hängt eine Lampe, die mit deren Einsatz an und aus geht, als wären sie alle miteinander verbunden. Die Bühne ist das ganze Konzert über in leichtem Nebel gehüllt und verstärkt so die traumwandlerische Atmosphäre.
Olafur Arnalds dirigiert, spielt, improvisiert. Echte Ausreißer in dieser leisen Melancholie sind nur die dumpfen Elektrobeats, die sich manchmal unheilverkündend ausbreiten, zu einem metallischen Zupfen werden, sich mit Geige und Cello paaren, eindringlich, schrill und schief.
Zum Schluss dann vielleicht der bewegendste Moment. Einen Song für die Großmutter hat Olafur Arnalds geschrieben. Mit einem Lächeln und sichtlich bewegt erzählt der Sänger von seinem größten Fan, bevor er das schlichte Klavierstück spielt, in das er viel Liebe und viel Traurigkeit gelegt hat.
Andrea Schneider
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