Kultur: In Uniform
Anne Heinleins fotografische Porträts
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Der Befehl „Rührt Euch!“ scheint von militärischer Disziplin zu befreien. Tatsächlich gelten selbst noch in der Entspannung reglementierende Vorschriften, die die Körperhaltung genau festlegen. So müssen die Arme auf dem Rücken verschränkt sein und die Füße einige Zentimeter auseinander stehen.
Die Potsdamer Fotografin Anne Heinlein ging in Kasernen, um Frauen beim Militär zu porträtieren. Sie bat die Soldatinnen, exakt diese Haltung einzunehmen. Ab heute Abend kann den Soldatinnen im Waschhaus direkt in die Augen gesehen werden. In sieben lebengroßen Porträts treten sie in Bundeswehruniform den Betrachtern in Lebensgröße und Augenhöhe gegenüber. In Kleidung und Haltung scheinen sie entindividualisiert. Bildungsgrad, soziale Schicht, familiäre Zusammenhänge - all das zeigen die Bilder nicht. Die Welt des Militärs muss das Individuum nivellieren, um die eigene hierarchische Ordnung etablieren zu können. Eine Armee funktioniert nur als Masse, in der der Einzelne nach Befehlen handelt. Einzig die Namen, an die Uniformen geheftet, sprechen von Individuen. Wenn da nicht die Gesichter wären und der, in den meisten Bildern, offene und herausfordernde Blick.
Anne Heinlein geht es genau um diesen Kontrast. Sie wolle Porträts von Menschen machen, deren Individualität in ihrer Essenz sichtbar wird, charakterisiert die Fotografin ihr Vorhaben. Um eine reine Individualität herauszuarbeiten, suchte sie einen Zusammenhang, der dazu im größtmöglichsten Kontrast steht. Sie suchte den Ausdruck von Individualität genau da, wo die Uniformen sie aufheben soll. Das gelingt ihr tatsächlich: Jede der Porträtierten tritt den Betrachtern als Persönlichkeit gegenüber, die eine burschikos, die andere fast flirtend. Brüche, Unsicherheiten, Verletzlichkeiten zeichnen sich ebenso auf den Gesichtern ab, wie Stolz und Selbstbewusstsein.
Doch der Blick verfängt sich genauso stark in dem Muster der Uniformen. Die hervorragend reproduzierten Arbeiten lassen jedes Detail, jeden Knopf, so wirklich aussehen, dass sie greifbar scheinen. Auf Wirklichkeit legt die junge Fotografin, die mit diesen Arbeiten soeben ihr Studium für künstlerische Fotografie in Leipzig erfolgreich beendet hat, sehr großen Wert. Ihr Anspruch ist das Dokumentarische, das sich durch Authentizität herstellt. Hätte sie irgendwelche Frauen in eine Uniform gesteckt, wären ganz andere Fotos herausgekommen, ist sich die erklärte Pazifistin sicher.
Als Klammer zu den Porträts stellt sie zwei Landschaftsaufnahmen aus, auf denen im Nebel die „Seelower Höhen“ zu sehen sind – menschenleer. Hier fanden im März 1945 die größten Kampfhandlungen auf deutschem Boden statt. Deutschland hatte den Krieg längst verloren und doch kämpften die deutschen Soldaten unerbittlich und unter sehr hohen Verlusten gegen die anrückende Rote Armee. Kampfbesessenheit, Vaterlandsliebe, die Treue zur Naziideologie - die Gründe, gegen alle Vernunft, dem soldatischen Eid bis zuletzt, bis zur Selbstzerstörung treu zu bleiben, waren bestimmt individuell. Trotzdem waren diese Individuen auch Kampfmaschinen, die auch noch funktionierten, als der Sieg aussichtslos und das Sterben sinnlos war.
Die jungen Frauen in Uniform mit ihren herausfordernden und fragenden Blicken müssen sich mit diesem Ethos ihres Berufes auseinandersetzen. Ihre Individualität kann sie aus diesen Zusammenhängen nicht herauslösen, denn trotz eigener Geschichte sind sie Teil des Systems. Die „Kampfzone“ ist nicht nur das Schlachtfeld, für das die Frauen ausgebildet werden. Sie findet sich auch in den Organisationsstrukturen des Militärs selbst, in denen diese Frauen Karriere machen wollen und dies entgegen dem Selbstverständnis des Militärs als genuin männlicher Ort auch tun.
Erstaunt habe die Fotografin, wie sehr die Frauen gerade durch die Uniform zu Selbstbewusstsein gelangten. Die Rolle der Soldatin macht sie sicher – eine Irritation mehr für die Betrachter.Helen TheinBis 17. 3. im Waschhaus
Helen Thein
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