Kultur: Indie-Pop über nackte Angst
Jens Friebe am heutigen Freitag im Spartacus
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Zittrige Stimme, verkopfte Texte, Keyboardklänge – schnell ist herausgefunden, in welchen popmusikalischen Gefilden sich Jens Friebe aufhält: Der Einfluss der Hamburger Schule ist nicht zu überhören, und das soll er auch gar nicht. Friebe lässt aber dazu nicht die Gitarre zu sehr in den Vordergrund treten, die doch allzu oft mehr lamentiert als richtig unterstreicht, was zu sagen ist. Electropop passt als Schublade für den gebürtigen Lüdenscheider und Wahlberliner doch am besten. Am heutigen Freitagabend ist Jens Friebe im Spartacus zu erleben.
„Nackte Angst zieh dich an wir gehen aus“ ist der Titel des jüngsten Albums von Friebe, das im vergangenen Jahr erschien. Kryptische Albentitel sind schließlich ein Muss, wenn man im Sandkasten der deutschsprachigen Pop-Poeten mitspielen will, warum also nicht einen Titel wählen, der auch als Arbeitstitel für ein Fassbinder-Drehbuch hervorragend gepasst hätte. Der Titelsong selbst schafft es, mit den zarten Klavierklängen tatsächlich eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen, in die Friebes leicht dissonant zur Musik klingende Stimme ganz passabel passt. Pathetisch wird es im Refrain, der mit zuckersüßen Streichern garniert wird – ein Kunstgriff, der kaschieren soll, dass hier immerhin über nackte Angst gesungen wird.
Gegensätze in Musik und Text zu verpacken, das gelingt Jens Friebe immer wieder ganz gut. Wie sonst soll man fragiles Leiden auch instrumentalisieren, wenn nicht mit ganz viel Hall und ganz viel Moll? Dadurch entsteht Chanson-Charakter, der mit Electro-Rhythmen kokettiert, Indie-Pop, der schluchzend daherkommt. Aber auch witzig: „Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache, dir ist nichts passiert“ lautet etwa der Titel des 2007er-Albums von Friebe – blind ist der, der da nicht ein wenig kindsköpfigen Humor durchschimmern sieht.
Musikalisch inspiriert wird Friebe bereits in den 90ern, als Musikjournalist schrieb und schreibt er, zurzeit für das Magazin „Intro“, immer ganz nah am Sound der Popkultur. Die gewisse Zärtlichkeit Friebes, verbunden mit seinem geradezu androgynen Äußeren, bringt ihm immer wieder zuverlässig ein Aufmerken in der Berliner Queer-Szene ein: Das Schwulenmagazin „Siegessäule“ verlieh ihm da sogar einmal den Titel „Berlins homosexuellster Heterosexueller“. Friebe freut sich darüber unter Make-up und Kajal, die Rolle des Vorzeige-Gender-Musikers nimmt er bereitwillig an. „Ich finde es einfach eleganter, wenn nicht so dichotom von ihr und ihm die Rede ist, wenn das in der Schwebe bleibt“, positioniert er sich einmal in einem Interview mit dem „Missy“-Magazin. Aber er weiß auch, dass gern viel mehr reininterpretiert wird, als tatsächlich vorhanden ist.
Ansonsten bleibt ihm noch viel Zeit, sich mit dem Ende der Dinge zu beschäftigen: Das Ende zieht sich schließlich wie ein roter Faden durch sein uvre. Es findet sich beim Ende der Liebe („Zahlen zusammen, gehen getrennt“), dem Ende der Welt („Warum zählen die rückwärts, Mami?“) oder dem Ende des Tages („Schlaflied“). Ein Grund mehr, sich auf Anfänge zu freuen. Oliver Dietrich
Jens Friebe am heutigen Freitag ab 21 Uhr im Spartacus, Friedrich-Engels-Straße 22. Der Eintritt kostet 10 Euro an der Abendkasse
Oliver Dietrich
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