Kultur: Intensiv statt monumental
Die Vokal-Concertisten Berlin mit Mendelssohns „Elias“-Oratorium im Nikolaisaal
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Dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt, ist sattsam bekannt. Immer, wenn es opportun erscheint, wird er in die Wüste geschickt. Man kennt das bereits aus alt-testamentarischen Zeiten. Elias, ein fanatischer Prediger und Wundertäter, muss es selbst erfahren. Dabei ist er an seiner Situation nicht unschuldig. Erst verkündet er, es solle weder Tau noch Regen fallen, bevor er es gestatte, dann lässt er das Volk der Israeliten jahrelang dürsten.
Ein packender Beginn von Felix Mendelssohn Bartholdys bedeutendstem Oratorium „Elias“, mit dessen atemberaubender Wiedergabe die Vokal-Concertisten Berlin ihr 20-jähriges Bestehen auch mit einem Auftritt im überschaubar besetzten Potsdamer Nikolaisaal feierten. Unterstützung erfuhren sie dabei von den in kammermusikalischer Besetzung aufspielenden Mecklenburger Kammersolisten aus Rostock, die sich von den Intentionen des Dirigenten Kristian Commichau zu einem transparenten, dramatisch aufgeheizten und in klanglicher Direktheit sich offenbarenden Spiel anstacheln ließen. Intensität statt Monumentalität hieß dessen Devise.
Konsequent mied Commichau jegliche sentimentale Deutung des biblischen Geschehens, wozu manche Episode ja einlädt. Stattdessen setzte er auf eine zum Bersten spannende, geradezu operntheatralische Ausmaße annehmende Wiedergabe. Bildhaftes Gestalten per Stimmen und auf Instrumenten war angesagt und bis zum Schluss durchgehalten.
Die 42 Mitglieder der Vokal-Concertisten erwiesen sich erneut als ein Ensemble, das längst in der chorischen Meisterliga angesiedelt ist. Vom machtvollen Hilfeschrei des israelischen Volkes über Bittgebete, die packend gestalteten Szenen des Brandopfer/Regenwunders über die Aufrufe zum Mord an Elias bis hin zur herbeigedankten Barmherzigkeit durchsangen sie geradezu aufregend, federnd und akzentuiert, voluminös, geschmeidig und intonationssauber die Spannweite dessen, wovon das Werk in knapp zweieinhalb Stunden erzählt.
Dazu gehört, dass Elias sich in die inneren Angelegenheiten des israelischen Königs Ahab einmischt, ein Gottesurteil darüber erzwingt, wer denn der wahre Gott sei: Jehova oder Baal. Letzterer ist es nicht, worauf er die Priester viehisch abschlachten lässt. Sonderlich christlich ist das nicht, was manche aktuelle Assoziation heraufbeschwört. Schade, dass Bariton Hagen Matzeit nur ansatzweise des Titelhelden Spannbreite zwischen ätzendem Ironiker, borniertem Eiferer und inbrünstigem Gottsucher zu gestalten vermochte. (Zur Erinnerung: 2001 sang Thomas Wittig diese Partie an der Seite der Potsdamer Singakademie mit allen nur erdenklichen Zwischentönen.) Matzeits gepflegter Vortrag mied die Extreme, bevorzugte dafür ein mittleres Level, sodass auch das Regenerflehen ziemlich unterbelichtet blieb. Selbst der Klage-Arie „Es ist genug“ konnte er nur wenig inneres Erleben beifügen.
Den König Ahab und Elias-Gefährten Obadjah sang Michael Zabanoff mit seinem kraftvoll-lyrischen Tenor in feiner dynamischer Abstufung. Als Königin (die ihr Volk aufhetzt, den unbequemen Elias zu töten) und Verkündigungsengel gestaltete Ulrike Bartsch mit ihrem ausdrucksvollen, warm getönten Mezzosopran die unterschiedlichen Charaktere auf berührende Weise. Klar, vibratolos und mit dramatischem Aplomb ihres höhensicheren Soprans trug Johanna Krumin sehr anteilnehmend die Partien der Witwe und des Engels vor. Das eine Instrumentalgruppe, angeführt von nur drei ersten Geigen (!), den Chorsängern und Solisten nicht nur Paroli bieten, sondern auch mitgestaltender Partner kann, bewies die heftig bejubelte Aufführung.
Peter Buske
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