Von Peter Buske: Intensiv und prächtig
Haydns „Schöpfung“ in der Erlöserkirche
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Wer blätterte nicht gern in einem musikalischen Bilderbuch?! Der ganze Kosmos kommt da zum Klingen, dennoch finden auch die kleinen Dinge des gerade entstandenen Lebens ihren hörenswerten Platz. Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ nach dem Epos „Paradise lost“ von John Milton in der deutschen Übersetzung Gottfried van Swietens ist wahrlich ein Wunderwerk an feinsinnigen Gedanken und tonmalerischen Eingebungen über die Erschaffung der Welt, das man bei jeder seiner Aufführungen in Konzertsälen, Klöstern oder Kirchen nur staunend anhören kann. Wie jene am Samstag in der Erlöserkirche, bei der sich die Potsdamer Kantorei, das Neue Kammerorchester Potsdam und ein exzellent aufeinander abgestimmtes Solistenterzett unter Leitung von Ud Joffe zu einer Lesart entschlossen hatten, die den charmanten, zuweilen naiven Blick des Komponisten beibehielt, ihn jedoch mit dem rational geprägten Geist aufklärerischen Denkens auffüllte.
Überraschend schon das mit schneidend gespielten Akkorden anhebende Eingangs-Chaos, bei dem sich die „Ursuppe“ brodelnd zusammenmischt, sich ausdehnt, dann wieder zusammenzieht – da braut sich was zusammen. Das Neue Kammerorchester musiziert nicht nur hier bestechend transparent, nie überhetzt. Eruptionen werden kurz phrasiert und straff artikuliert. Zwei kurzweilige Stunden lang begeistern nie nachlassende Intensität, Innigkeit und Impulsivität der Musiker. Und zwar von Beginn an, in welchem sich Namenloses Richtung und Ziel gewinnt. Im Rezitativ „Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde“ artikuliert es sich durch die Stimme des Erzengels Raphael, findet seine Fortsetzung in der Auskunft der himmlischen Heerscharen: „Und der Geist Gottes schwebte auf der Fläche des Wassers“ – bis hin zum spannend aufgebauten, klangjubilierend vollzogenen Umschwung des „und es ward – Licht“. Die Potsdamer Kantorei vertraut nicht nur hierbei auf Leucht- und Strahlkraft, auf Flexibilität und Geschmeidigkeit ihrer hervorragend geschulten Stimmen, sondern auf homogenen, fülligen und unforcierten Stimmklang, auf Textverständlichkeit.
Den Fortgang der Welterschaffung bestimmen zunehmend klangdelikat ausgehorchte Feinheiten, wie sie sich in der Mischung aus biblischer Erzählung (Rezitative), dichterischem Kommentar (Arien) und Engelsgesänge (Chöre) überreich finden. Lebendig, locker und leicht vollzieht sich das Geschehen der Schöpfungstage. Ihm spüren die Solisten auf hörvergnüglichste und seelenerbauliche Weise nach. Allen voran Sopranistin Robin Johannsen (Gabriel und Eva), bei deren lieblichem und strahlendem Gesang man förmlich „der Kräuter Balsam“ duften hört. Sie singt mit einem Leuchten auf Stimmbändern und im Gesicht. Staunenswert, wie mühelos sie ihre glanzvolle Höhe vorführt und Koloraturenausflüge bewältigt. Nicht weniger schlicht und intensiv im Ausdruck begeistert Tenor Eric Stokloßa (Uriel) mit seiner strahlenden und kraftvollen Stimme, die jedoch im Pianissimo einige Probleme und gegen Ende leichte Ermüdungserscheinungen zeigt. Sehr plastisch stellt Bassbariton Rainer Scheerer (Raphael, Adam) mit zunehmend fundierter Tiefe die tierische Szenerie vor, meidet als Teil des idealisierten Menschenpaares alles Machohafte, ohne die Leitungsfunktion in der Ehe aufzugeben. Und Eva? „Dir gehorchen bringt mir Freude, Glück und Ruh’“. Nun ja – wie es sich damals eben so geziemte. Das Continuo-Cembalo liefert seinen herrlich knarzigen Kommentar dazu. Dann weicht die Anspannung aller, prasselt der Beifall.
Peter Buske
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