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Kultur: Intime Zweisamkeit

Im Atem der Geschichte – Rokoko-Spurensuche im Neuen Palais

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Nein, das Verzeichnis der vorhandenen Konzerte liegt nicht mehr auf dem Tisch im Konzertzimmer seiner Majestät, das sich inmitten von Friedrichs Wohnung im Neuen Palais befindet. Bis auf diese Ausnahme stimmt aber noch alles, was Musikhistoriker Charles Burney von seinem Besuch anno 1772 beim flötespielenden Friedrich II. in seinem „Tagebuch einer musikalischen Reise“ niederschrieb. Die hellblassgrüne Wandfarbe, die Spiegel mit eingelassenen goldverzierten Ornamente, die musizierenden Putten – alles noch da und bestens erhalten.

Es zu bestaunen war im Rahmen der pfingstsonntäglichen „Spurensuche: Rokoko“ bei einer musikalischen Sonderführung „die wahre Art das Clavier zu spielen“ möglich. Viele nutzen die Gunst der Stunde. In Filzpantoffeln schlappt sich die Gruppe im Neuen Palais durch die Pesne-Galerie, erhält sachdienliche Hinweise zu Gemälden, zu Friedrichs Privatgemächern und Lebensgewohnheiten. Fast in jedem Raum steht ein Tasteninstrument samt Spielerin für klingende Lektionen bereit, die mit Zitaten und Stücken aus C. Ph. E. Bachs „Versuch über die wahre Art “ garniert werden. Dem Clavichord entlockt Warwara Manukyan zarte und grazile Klänge mit mancherlei Bebungseffekt; im einstigen Gästeschlafzimmer führt Margit Kovacs die Truhenorgel mit einem Choralvorspiel von Johann Philipp Kirnberger vor.

Im Lackkabinett der Friedrichwohnung perlt Laura Lüdersdorff auf dem Cembalo brillante und klare Töne. Ehe es ins Allerheiligste, das Konzertzimmer des Königs geht, stimmt Klaus Büstrin mit einer Lesung aus Burneys diesbezüglichem Konzertbericht darauf ein. Dann stellt Monika Knoblochova einen nachgebauten Hammerflügel mit seinen klangfarbenreichen Spielmöglichkeiten vor. Das Silbermannsche Original mit reich verzierten Beinen steht als Staffage verschämt daneben. Alle „Lektorinnen“ sind Studierende von Christine Schornsheim an der Münchner Hochschule für Musik und Theater. Die Meisterin ist mit der Elevinnen Art, die Tasten zu bedienen, sehr zufrieden. Sie selbst tritt an der Seite von Traversflötenspezialist Christoph Hunthgeburth wenig später in einem „Hofkonzert a la Sanssouci“ auf, spielt eine Neupert-Kopie eben jenes Silbermannschen Instruments aus dem königlichen Konzertzimmer. Der Atem der Geschichte weht auch aus Hunthgeburths Instrument, einem Original des Potsdamer Hofinstrumentenmachers Friedrich Gabriel August Kirst aus den 1770er Jahren.

Das Schlosstheater (wo sonst?!) erfüllt sich mit nahezu friderizianischen Originalklängen, wozu Sonaten von Flötenlehrer Quantz, Benda, Bach und Kirnberger gehörig beitragen. Beiden bestens aufeinander abgestimmten Künstlern, platziert auf Friedrichs Parkettparterre, gelingen die schwierigsten Allegroläufe, die innigsten Adagii, die beseeltesten Largos. Was im galanten Stil oder vermischten Geschmack niedergeschrieben ist, erfährt stilkundigste Ausführung. Er bläst mit langem Atem, sie accompagniert mit differenziertem, geschmackvollem Anschlag. Beide kosten Stimmungen und Empfindungen nachhaltig aus. In C. Ph. E. Bachs g-Moll-Sonate für Fortepiano solo führt die Schornsheim die Möglichkeiten des Hammerflügels mit seiner Klaviermechanik und den Handhebelregistern einprägsam vor. Von der wahren Art das Clavier zu spielen, versteht sie eine Menge. Partner Hunthgeburth hat nicht minder intensiv das Quantz’sche Lehrwerk „Versuch einer Anweisung, die Flute traversiere zu spielen“ studiert. Eine gar köstliche Spurensuche im Rokoko.Peter Buske

Peter Buske

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