Kultur: Irrungen und Wirrungen
Das Ensemble Shakespeare und Partner mit der ersten Komödie des englischen Dramatikers im T-Werk
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Mit den mehr oder weniger hochedlen Regenten hatten die Denker und Dichter wohl immer ein Problem, Büchner, Schiller, Kleist und viele andere hätten wahrlich dicke Bände darüber verfassen können, der alte Insulaner Shakespeare erst recht. Denn oft versagt die Macht, die sich Gesetze schafft, vor dem Herzen der Menschen. Dass dies aber nicht immer so ist, zeigt Shakespeare in seinem als Komödie getarnten Stück „The Comedy of Errors“ (Komödie der Irrungen) von 1591. Hier sorgt zwar wieder mal ein Schiffsuntergang für die Trennung dessen, was gar vom Mutterleib her zusammengehört, doch diesmal mit glücklichem Ausgang.
Der an den Rollstuhl gebundene Syrakuser Ägeon erzählt dem Herzog Solinus von Ephesos zu Anfang des Stücks unter Tränen, wie er Weib und Zwillingssöhne im Sturme verlor. Das zwillingsgleiche Dienerpaar mit Namen Dromio erlitt das Gleiche. Aber viel wird dem Ägeon seine Klage wohl nicht nützen, denn Ephesos hatte ja beschlossen, jedem Syrakuser per Gesetz das Leben zu rauben, wenn er die Stadt betritt. Wie im griechischen Drama soll auch hier ein Fürst zwischen Recht und Menschlichkeit entscheiden. Es geht in dieser Komödie also um Leben und Tod.
Am Wochenende zeigte die Theatergruppe Shakespeare und Partner dieses turbulente Stück nun im T-Werk als abendfüllende Inszenierung des indischen Regisseurs Kenneth George, der vor Jahren an gleicher Stelle mit „Heinrich VIII.“ für An- und Aufsehen sorgte. Sein Credo: eine einfach eingerichtete Off-Bühne, Reduktion der Handlung auf wenige Darsteller, sehr körperbetontes, spielerisch aufgefasstes Akteurs-Theater, Aussteigen aus einer Szene zum Kommentieren der Handlung, keine historische Kostümierung. Dieser Stil kann den Wiederholungsbesucher nicht mehr überraschen, selbst in einer Komödie der Irrungen nicht. Was hier bei Shakespeare auch immer geschieht, stets trifft es das falsche, aus Herr und Diener zusammengesetzte Paar. Gleichgültig, ob sich ein Mann von seiner Gattin ausgesperrt weiß oder ein schrillem Gelächter verfallener Juwelier den falschen Antipholus um seinen Lohn für eine kostbare Kette bittet.
Situationskomik, Slapstick, Action, es ist viel los auf der Bühne mit den beiden türkisen Seitengassen. Die Schauspieler gaben dem Gaudi ihr Bestes, meist in Mehrfachbesetzung: Ein großartiger Andreas Erfurth spielt die beiden Antipholi aus Ephesos und Syrakus, Sebastian Bischoff mit großem Körpereinsatz trotz dauernder Prügel den doppelten Diener Dromio, Rike Joeinig mit schriller Pressur und steifen Fußes des Ephesers Gattin Adriana. Kai Frederic Schrickel mimt in der Anfangsszene Fürst Solinus als Ankläger und den angeklagten Ägeon gleich mit, nur durch einen Silberschal unterschieden. Jillian Anthony ist Luciana und eine geprellte Kurtisane wie ein Klischee. Dierk Prawdzik aber gab neben besagtem Goldschmied den englischsprechenden Guru-Arzt derer, die trotz aller Verwirrnis eigentlich gar nicht krank waren, die beiden Antipholi.
Nach zweieinhalb einfallsreichen Stunden kam dann endlich zusammen, was zusammengehört. Trotzdem fehlte auch hier, wie so oft, ein gutes Stück Shakespeare. In einer mehr lust- als geistreichen Inszenierung erlebte man zwar Figuren, aber nicht Shakespeares Bestes, nämlich Charaktere! Die Begnadigung des Syrakusers (darum geht es ja) wird als verbaler Appendix geliefert, nicht als innerer Kampf des fürstlichen Gesetzgebers. Beim Herumtollen und Strieseln wird gar die Grundsituation vergessen, das Todesgesetz der Stadt und die Bedeutung von Schiffbruch für Rolle und Spiel. Von der allegorischen Dimension der Komödie zu schweigen. War da zu viel Selbstgefälligkeit? Man spielte dieses Verwirrspiel ohne das mitgelieferte Damoklesschwert, das Komische ohne die Tragik, den Shakespeare in dieser „Komödie der Irrungen“ also mal wieder nur halb. Das aber gelang den Mannen von Shakespeare und Partner freilich gar nicht so schlecht.
Gerold Paul
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