Kultur: Jazz vom Feinsten
Jiggs Whighams und seine Jünger in Marquardt
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Der Regengott meinte es gut mit Flora, aber weniger mit den Musikern und den Menschen, die am Sonnabend das Landesjugendjazzorchester im Schlosspark Marquardt erleben wollten. So wurde das Konzert kurzerhand in die Kulturscheune des märkischen Dorfes am Schlänitzsee verlegt.
Rund siebzig Zuhörer erlebten BigBand-Jazz überwiegend englischer Herkunft, aber nicht steif, sondern vom Feinsten. Bandleader Jiggs Whigham brauchte bloß mit den Fingern zu schnipsen und den Beat zu zählen, schon legten die jungen Musiker los. Bei „One Morning in May“, einem Jazz-Standard von 1933, öffneten Posaunen, Trompeten und Saxophone mit ausladenden Riffs nacheinander die Vorhänge zu einem großartigen Jazz-Abend. Die zwanzig Musiker studieren alle an Musikhochschulen, die meisten in den Hochburgen der Klassik, Dresden und Leipzig, aber auch in Rotterdam und Amsterdam, Berlin und Hannover. Mit sympathischer Offenheit gab Jiggs Whigham seiner Bewunderung Ausdruck, dass junge Leute die Courage haben, sich ganz der Musik zu widmen. Aber schließlich, fügte er bestärkend hinzu, sei Musik kein Luxus, sondern ein Lebenselixier.
Er selbst gibt wohl das beste Beispiel dafür. Dass der gebürtige Amerikaner schon 69 Jahre zählt, glaubt man nicht. Schon mit siebzehn spielte er die erste Posaune im Glenn Miller Orchestra, bevor ihn der Jazz um die Welt trieb. Bis heute ist der humorvolle Grauschopf aktiv als Musiker, Bandleader und Lehrer. Erst am Morgen des Konzertes sei er von einem internationalen Posaunisten-Kongress in Paris zurückgekehrt und erzählt dem Publikum amüsant, dass dort 700 Menschen mit Posaunenkästen in der Hand an ihm „wie in einem Fellini-Film“ vorbeigelaufen seien.
Wie kraftvoll er noch selber sein Instrument spielen kann, zeigt er bei der ausdrucksvollen Blues-Ballade „A Time for Love“. Vielleicht liegt darin auch ein bisschen Botschaft. Schließlich bilden Musik und Liebe schon immer ein besonders schönes Paar. Wenn dann noch eine gute Portion pädagogischer Eros dabei ist, kann eigentlich nur etwas Gutes gedeihen. Bestes Beispiel ist das Brandenburgische Landesjugendjazzorchester, das unter Jiggs Whigham vor zwei Jahren einen Preis als bestes Nachwuchsorchester von Deutschland gewonnen hat. Jeder Musiker darf einmal zeigen, was er schon draufhat. Hendrik Baumgarten spielt zu „My shining hour“ ein klangvolles Saxophon-Solo. Jan Kaiser experimentiert auf der Trompete mit verschiedenen Klängen. Antje Roesler lässt ihre flinken Finger über Tasten des Keyboards springen. Jonathan Strauch bläst eine träumerisch-versponnene Ballade auf dem Alt-Saxophon.
Ziemlich unübersetzbar ist der Titel „The Jamth are coming“, ein Stück, das Whigham ebenso unübersetzbar als „greezy, funky, stinky“ ankündigt. Hier können die Bläser zum stompin’ Rhythm mit vielen schön-schrägen Soli glänzen. Auch das Bariton-Saxophon von Philipp Schoof tritt ganz seriös sonor auf. Nicht zu vergessen Theresa Hendrich an der Bass-Posaune, das „Mädchen, das fremdgeht“, denn eigentlich kommt sie vom klassischen Fach. Kurios geht es auch bei dem Stück für Nachbarn von Steve Gray zu mit dem Titel „George Hulberts Railway Heating Element“, in dem die Hitzewellen, sprich die Töne, feurig glühen. Mit einer Samba endet das gelungene Konzert äußerst funky.
Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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