Premiere im Hans Otto Theater: Jeder kriegt den, den er verdient
Am Freitag hat die Shakespeare-Komödie „Was ihr wollt“ im Hans Otto Theater Premiere. Ein typischer Shakespeare: Alles läuft aus dem Ruder - und am Ende passt es doch. Wenn auch anders, als geplant.
Stand:
Die Probe ist gerade beendet, es ging um die Verwirrungen der Liebe – und Dennis Herrmann und Kristina Pauls sitzen beide nebeneinander im Café des Hans Otto Theaters und werfen sich ein aufforderndes Grinsen nach dem anderen zu. In der Inszenierung von „Was ihr wollt“, die am morgigen Freitag Premiere hat, dürfen Herrmann und Pauls wieder anbandeln, und das scheint ihnen offensichtlich aufrichtiges Vergnügen zu bereiten. Schon im Stück „Fahrenheit 451“ sind sie derzeit als Pärchen zu sehen – und nun spielt Herrmann den Fürsten Orsino, der unglücklich in die von Kristina Pauls dargestellte schöne Gräfin Olivia verliebt ist.
Mit William Shakespeares „Was ihr wollt“ räumt das Hans Otto Theater dem berühmtesten unter den Dramatikern und quasi dem Erfinder des Verwirrspiels noch einmal mehr Platz in dieser Spielzeit ein: Während „Der Widerspenstigen Zähmung“ in der mitreißenden Inszenierung des Komödienspezialisten Andreas Rehschuh noch auf dem Spielplan steht, ist „Ein Wintermärchen“ unter der Regie von Intendant Tobias Wellemeyer gerade ausgelaufen. Zeit also für ein neues Stück des großen Dramatikers.
Kristina Pauls und Dennis Herrmann spielen in „Was ihr wollt“ neben Patrizia Carlucci und Alexander Finkenwirth zwei der Hauptrollen des Stückes, das eine rasante Mischung aus wechselnden Identitäten, Kostümen und Geschlechtern ist und in dessen Zentrum die unerfüllte Liebe steht. „Ich bin mir schon sicher, dass man folgen kann“, sagt Dennis Herrmann über das Konfusionspotenzial der Inszenierung. „Die Figuren verwirren sich ja eher gegenseitig und wissen nicht genau, was mit ihnen geschieht. Als Zuschauer weiß man aber, was gespielt wird.“ Die Handlung des Stückes, das von Michael Talke inszeniert wird, spielt auf der fiktiven Insel Illyrien – und beginnt, wie bei Shakespeare üblich, mit einer Katastrophe: Ein Schiffbruch spült Viola (Patrizia Carlucci) an die Küste des Eilands, ihren Zwillingsbruder hat sie verloren, er treibt mit ungewissem Schicksal draußen auf See. Schließlich gerät sie an einen Fürstenhof, wo sie – als Mann verkleidet – ein Diener des Fürsten Orsino wird und sich fortan Cesario nennt. Fürst Orsino buhlt um die Liebe der schönen Gräfin Olivia, die diesen jedoch ablehnt, weil sie um ihren Bruder trauert.
Die Begegnung mit Cesario lässt sie jedoch wieder neu erwachen, sie verliebt sich in den vermeintlichen Diener – Cesario jedoch interessiert sich mehr für den liebeskranken Fürsten. Aber es gibt noch mehr aufwühlende Begegungen in dem Stück, eine karnevaleske Handlung entspinnt sich – aber so ist Shakespeare: Am Ende bekommt jeder den, den er verdient. Oder doch nicht? „Eigentlich sucht sich ja jeder den Partner, der ihn nicht will“, sagt Pauls. Viola/Cesario ist dabei das verbindende Element zwischen den Figuren. „Wir beide sind die Idioten, die in Cesario einen Mann sehen“, sagt Kristina Pauls.
Die Insel als ein abgeschlossener Ort, der nicht verlassen und nur schwer erreicht werden kann, ist natürlich ideal für die Inszenierung. „Das ist wie ein Raum, in den man hineingeworfen wird“, sagt Herrmann. „Insel ist aber bei uns nicht Insel“, fügt Kristina Pauls hinzu. „Also Palmen stehen da nicht rum.“ Der Schiffbruch als Katastrophe erscheint jedoch notwendig für die Entwicklung der Komödie. „Er ist ja auch ein Symbol für die Hilflosigkeit, das Verlorensein. Alle Figuren haben eine große Not, ohne die eine Komödie nicht funktioniert“, so Herrmann. Die Bühne wird dabei nicht mit Requisiten überfrachtet, „die Bühne ist ja auch kein realistischer Raum“, sagt Kristina Pauls. Sie erlaube aber schöne Bilder, die diese Traumwelt unterstreichen – und lässt dem Zuschauer offen, was er damit anfängt.
„Eine astreine Komödie ist das Stück aber nicht“, sagt Herrmann. Es bestehe eher aus einem Auf und Ab. Das Komische ergebe sich immer auch aus dem Tragischen, und die Komik liege in dem Stück weniger auf den Haupt-, sondern mehr auf den Nebenfiguren, wie etwa Malvioli, dem Verwalter von Gräfin Olivia. „Der ist ja eher der seriöse Typ, der nur seine Aufgaben erfüllen will – und wird total verarscht“, sagt Kristina Pauls. Seine Diener hassen den humorlosen Frömmler und lassen ihm einen Brief zukommen, in dem sie ihm die Liebe der Gräfin vorgaukeln: Er solle sich gemäß den Anweisungen mit gelben Strümpfen und gekreuzten Strumpfbändern zeigen und dazu lächeln – eine fast schon tragikomische Szenerie. Natürlich lacht man über diese Unbeholfenheit. „Das sind die Höhepunktszenen einer wahren Komödie“, so Herrmann. Für die Schauspieler bleibt da gar keine Möglichkeit, sich um konstruierte Komik zu kümmern – sobald sie zeigen, dass etwas komisch ist, wirkt es natürlich nicht mehr so. Herrmann lacht darüber: „Ich mache mir ja keine Gedanken, ob das jetzt komisch rüberkommt. Das muss der Regisseur.“
Es ist eben auch typisch für Shakespeare, dass Konstellationen ganz schnell vorausgesetzt werden – nicht immer eine leichte Aufgabe für die Schauspieler, diese zu erklären. „Man muss unheimlich nach Situationen suchen, damit der Zuschauer nicht denkt: Hää?“, so Kristina Pauls. Das sei ihnen allerdings ganz gut gelungen.
Trotz seines Alters bleibe das Stück zeitlos, wie alle Stücke von Shakespeare. Etwas hat sich aber doch verändert seit 1623, dem Jahr, in dem „Was ihr wollt“ entstand: Damals durften alle Charaktere nur mit Männern besetzt werden – was ja noch viel verwirrender gewesen sein muss. „Vom Stil her würde das heute niemand mehr so schreiben – aber Gefühle sind zeitlos", sagt Herrmann. Das mache das Stück eben auch zu einem Klassiker: „Wir brauchen ja kein Stück zu spielen, das keinen Bezug zu heute hat.“ Ein „Ende gut, alles gut“ brauche man jedoch nicht zu erwarten. Am Schluss könnte man zwar denken: Super, passt doch alles. „Aber wie man sich vorher getäuscht hat, wie alles aus dem Ruder gelaufen ist!“, sagt Kristina Pauls. Am Ende kommt immer alles anders als gedacht: „Happy Ends sind eben schwierig.“
Die Premiere von Shakespeares „Was ihr wollt“ ist am morgigen Freitag um 19.30 Uhr im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse zu erleben
Oliver Dietrich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: