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Die Landschaft als Inneres und Äußeres. Bilder von Anna von Glasow in der Galerie am Jägertor.

©  Julius Frick

Kultur: Jeder Pinselstrich, ob fein oder grob, ist ein Strich aus Erfahrung

Anna von Glasows Landschaftsmalerei in Eitempera in der Galerie am Jägertor

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Zugegeben, die späten Arbeiten der Neu-Gröbenerin Anna von Glasow sind hier und da vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Aber hatte Kornelia Tappe in ihrer Galerie am Jägertor nicht immer wieder ein gutes Händchen, wenn es darum ging, interessante Jünger der bildenden Zunft auszustellen? Da war so manches Extra dabei. Die Ausstellungsräume sind recht schnuckelig, die Bilder der aktuellen Exposition dagegen eher nicht. Dafür leben und wirken sie auf ganz eigene Art – was wollte man Besseres von einem Dasein als Bild in diesem Leben sagen?

Von Stettin aus hatte es die heute 79-jährige Künstlerin ins Ostpreußische verschlagen, welches sie lieben lernte. Nach dem Krieg kam sie zur Mode, Stockholm, Paris und Stuttgart, Besuch von Kunstschulen, Ausstellungen. Technisch hat sie sich auf die Malerei mit Eitempera spezialisiert, ihre Themen sind Blumen und Landschaften, nicht nur ostpreußische. Dass sie sich dabei der naturnahen Darstellungsform verschrieben hätte, kann man weiß Gott nicht sagen. Ihre lebhafte, ja ziemlich temperamentvolle Art strebt nach Überhöhung des Gesehenen oder Erinnerten, und genau so sollen Inneres und Äußeres auch auf der Malerleinwand erscheinen. Sie sucht in der Natur nach Ursprung und Dasein, zitiert Paul Cézanne, wonach die Farben aus den tiefen Wurzeln der Welt aufstiegen und erst an der Oberfläche zu Leben, zu Ideen würden. Mag die vor dem Krieg geborene Malerin auch nicht unbedingt nach französischen Lichtwerten streben – in „Alte Weidenallee“ ist ein Glanz davon da –, so scheint dieses Statement doch der Schlüssel für die ungewöhnliche Frische ihres Alterswerkes zu sein. Die Galeristin hat Anna von Glasow bei der Kunstmesse „Art Brandenburg“ entdeckt und ob ihrer Art und Liebenswürdigkeit sofort schätzen gelernt.

Der Pinselstrich dieser Malerin scheint manchmal recht einfach, beinahe grob zu sein. Energisch sucht er sucht die Linie, die Verallgemeinerung, die wahre Grenze zwischen Himmel und Erde, den Horizont. Erdene Farben sind für irdische Dinge reserviert, meist dunkles Braun, Blau oder Grau bei meist unifarbenem Hintergrund. Gesucht wird die Natur der Zinnien im Herbst – Lebensflecke auf dunkelndem Grund, Kytta und Wasserlilie, Iris und Weißklee. Wer sonst aber hätte den Mut, auch „Vertrocknete Weidenröschen“ wiederzugeben, wo vor lauter Gefitze und geschichtetem Braun eher nichts als zu viel zu sehen ist? Starr steht der Wald bei Schlachtensee, bedrohlicher, je länger man da hineinschaut. Dann werden Wolken und Wellen bei ihr zu Kringeln. Ein anonymes Dornendickicht verwandelt sich in das Bild einer aufgelösten Stacheldrahtrolle, sehr gekonnt sind die Schlingpflanzen geschlungen. Unvollendet eher wirken die „Haffwiesen“. Auch anderen Bildern in der menschenleeren Natur dieser Kunst scheint es an Tiefe zu fehlen, sie bleiben, frei nach Cézanne, an der Oberfläche. Vielleicht wirkt da noch etwas Vergangenheit nach.

Anna von Glasow bespannt und rahmt ihre Leinwände selber, Pigmente lässt sie aus Florenz kommen für ein eher dunkles Oeuvre. Doch wie immer man ihre Bildwelt versteht oder annehmen will, jeder Pinselstrich, fein oder grob, ist ein Strich aus Erfahrung. Das merkt man wohl. Die herbe Erde des Nordens, der andere Glanz im Licht, tiefe Verbundenheit mit den Werken der stets neu gebärenden Natur, Wälder und Landschaft, Blumen und all diese Himmel, das sind Botschaften dieser Malkunst am Rande der Imagination. Dazu ein Lächeln der Malerin, ein Lob aus dem Herzen der Galeristin – und auf alles einen Text, es konnte dieser nur sein. Gerold Paul

Die Ausstellung ist noch bis zum 19. September jeweils mittwochs bis samstag, 14-18 Uhr, in der Galerie am Jägertor, Lindenstraße 64, zu sehen.

Gerold Paul

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