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Kultur: Jenseits von Kapitalismus und Marx

Vortrag in der „arche“ über das Credo des Anfang 1945 hingerichteten Jesuitenpaters Alfred Delp

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Vortrag in der „arche“ über das Credo des Anfang 1945 hingerichteten Jesuitenpaters Alfred Delp Katholiken erstaunen manchmal: Sie können dem Wort ihres Papstes folgen und zugleich jener Freiheit nachjagen, wie Philosophen sie verstehen. Einmal mehr kam dieses seltsame Konglomerat aus irdischer Weisheit und theologischem Anspruch in einem hörenswerten Vortrag des Theologen und Militärseelsorgers Peter Spieles (Berlin und Potsdam) ans Licht, als es galt, den 60. Todestag des Jesuitenpaters Alfred Delp (1907-1945) einzugedenken. Er wurde von den Nazis nicht wegen aktiver Mitarbeit im Kreisauer Kreis, sondern ob des vor seinem Richter Freisler offen ausgesprochenen Bekenntnisses, die bestehende Gesellschaft umzustürzen, am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee per Führerbefehl hingerichtet. Sein in Tegeler Haft 1944/45 geschriebenes Glaubenszeugnis „Reflexionen“ bildete die Grundlage des viel diskutierten Vortrages in einer gut besuchten „arche“ – wo sonst in Potsdam wäre es möglich, auch die kontroversesten Meinungen ohne Weh an Leib und Seele zu ventilieren? Alfred Delp wurde 1907 in Mannheim geboren, er trat gleich nach der Matura 1926 dem Orden „Societas Jesu“ bei. 1937 erhielt er in München die Priesterweihe, ein Jahr darauf schloss er seine theologischen Studien ab. Seit 1942 zählte er zu den aktiven Mitgliedern des Kreises um Moltke, darin sich, vom Großgrundbesitzer bis zum Kommunisten, aktiver Widerstand gegen Hitler regte. Im Zusammenhang mit dem Stauffenberg-Attentat hat man ihn Ende Juli 1944 in München verhaftet, die Asche des 37-Jährigen wurde auf die Rieselfelder Berlins gestreut. Warum dieses weltliche Engagement eines Christen trotz harter Bedrohung des Lebens? Peter Spieles, theologischer Betreuer für Armee und Polizei, führte es wesentlich auf die Einflüsse des damals entstehenden „sozialen Humanismus“ mitsamt seiner Psychologie („es geht immer um Wertschätzung“) zurück, darin Pater Delp die eigene Suche nach der „Bestimmung des Menschen“ bestätigt fand – jüdisches Denken, so der Referent, aus der aktuellen Erfahrung von Verfolgung und Mord entstanden; irdisches, darf man hinzufügen. Von klein auf mit der „sozialen Frage“ beschäftigt, dachte Delp so: Damit der Mensch als „Gefangener der Welt“ auch Christ sein könne, brauche er günstige „Verhältnisse“, oder den aktiven Zeitgenossen, der sie verwirklicht: „Wer nicht den Mut hat, Geschichte zu machen, wird ihr armes Objekt“. Jesuiten verstehen sich ja ostentativ als Wegbereiter Gottes auf Erden. Spieles zeichnete seine „Visionen“ zur Utopie des „personalen Sozialismus“ jenseits von Kapitalismus und Marx nach: Eine sozial gerechte Gesellschaft, die erneuerte oder erwachte Kirche und der „neue Mensch“, weil der alte durch sein „verhärtetes Leben“ zur Anbetung „unfähig“ (wer könnte heute wohl bestehen?) sei. Dies zu begründen, koppelte der Aktivist das angebliche „Gesetz der Freiheit“ („der Mensch muss frei sein“) an das „Gesetz der Bindung“: „Ohne Gott ist es nichts mit dem Menschen“. Ziel war also, alte Renaissance-Idee, der „neue Mensch“, offenbar bringt es der „alte“ nicht. Das Auditorium fand dieses Credo fast ausnahmslos „sehr aktuell“, politisch bedeutend und theologisch richtig. Die Gestapo bot dem Widerständler im Fall eines Ordensaustrittes die Freiheit an, er aber erneuerte sein Gelübde. Im Bewusstsein, für eine bessere Zukunft zu sterben, ging Delp zum Galgen. „In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie“, sagte er als letztes zu seinem Seelsorger. Gerold Paul

Gerold Paul

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