Kultur: Jetzt schlägt’s 30
Andrea Meissner feiert ihr Bühnenjubiläum
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Irgendwann schlägt jedem die 30. Das war in biblischer Zeit nicht nur der in Silberlingen gemessene Menschenwert, in seinem 30. Jahr kam auch David auf seinen Thron, traten Mose und Jesu auf den Plan. Eine bedeutende Zahl also. Bei Andrea Meissner ist das ein wenig anders, sie hat die 30 hinter sich: 30 Berufs- und Bühnenjahre als immerflotte Komödiantin mit Kabaretthintergrund, meist in Solo-Besetzung. Grund genug, dies am Wochenende mit einem Jubiläumsprogramm im Kabarett Obelisk zu feiern.
Für die Statistik: 30 Jahre Andrea Meissner bedeuten nicht nur drei Dezennien nervennagende und nervenzersägende Total-Subversion, sondern auch Teilnahme an mehr als 50 Programmen, 6000 Vorstellungen vor gut einer dreiviertel Million williger oder mutwilliger Opfer, die sich mindestens 500 ihrer Lieder anhören mussten. In ihrem Jubiläumsprogramm „Jetzt schlägt’s Dreißig oder Am Tag als Frau Meissner kam“ war die alerte Solistin wieder gut drauf, schrill im pinken Kurz-Kostüm, spendabel, wenn es etwas ins Publikum zu geben oder zu werfen gab (Eierlikörflaschen, bildreiche Tageszeitungen, Viagra-Imitate), bereit zu jedem Scherz – und zum genussvollen Spiel mit dem Publikum, selbst wenn es Herrn Sebastian traf. Auch ein Kritiker bekam etwas ab, Fett nämlich: Sie haben mich das letzte Mal verrissen!
Nun ist Jubiläum etwas Jubelhaftes, keine Plattform fürs Philosophische. Partyzeit also! Zu sehen und zu hören war eine lebensfrische Sing- und Plaudertasche mit dem bekannten Sinn für geraden und krummen Humor, für kabarettistische Seitensprünge, auch fürs Frivole. Das Publikum, immer wieder zum Mitschunkeln, Mitsingen und Mitspielen animiert, begegnete guten oder weniger guten Weggefährten aus 12 Programmen: Die handelten von Eiertanz und Vogelgrippe, von vergessenen Zähnen und Küchenkapitänen, von Sexbomben und natürlich um ihren Liebsten, den Rudi. Ehe-Gauckler sind eher neu im Angebot.
Das Geselligkeits- und Stimmungsbarometer erreichte seinen Höhe- oder Siedepunkt, als das Publikum in toto aufgefordert wurde, den kollektiven Orgasmus zu üben. Da hatten ihre Fans die hellste Freude. Warum sie sich allerdings ausgerechnet im miefigen Potsdam so frei fühlt, wie sie behauptet, bleibt dafür eher rätselhaft. Einen alten Weggefährten hatte sie noch in petto, Hans-Jochen Röhrig in der Uniform von Friedrich II., welcher ja nur eine Null mehr auf seinem Buckel hat, doch was zählen Nullen schon am Rechenbrett! Hübsch gedacht diese Nummer, doch limonadenmatt gemacht. Ansonsten ist der 100-minütigen Sonderausgabe jener Person, die so schrill tremoliert, Synkopen in den Irrsinn jagt und dann auch noch jodelt, die ordnende Hand eines erfahrenen Regisseurs bestens bekommen. Witz und Worte bleiben sich zwar gleich, doch die Erfahrung lehrte auch sie, dass in ihren selbstbehaupteten Chaos-Räumen weniger mehr stets ist. In diesem Sinn: auf die nächsten 30 Silberlinge! Gerold Paul
Wieder am 5. und 11. April, 19.30 Uhr, im Kabarett Obelisk, Charlottenstraße 31
Gerold Paul
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