Es könnte auch eine Voodoo-Session sein, mit der „Black Widow“ beginnt. Beschwörendes Murmeln, Krächzen, gequältes Schreien, Chaos. Dann, fast unmerklich, wird aus dem Chaos Rhythmus, Erika Stucky formt aus ihrer Stimme etwas von dunkler Schönheit. Ganz klar: Ihre Leadbelly-Adaption „Black Betty“ ist eine Art schwarzes Loch, das den Hörer in ihr neues, mittlerweile siebtes Album hineinzieht. Ja, sie ist gut, das Album ist es auch und um das zu merken, bräuchte es das zweite Stück „I’m good“ gar nicht unbedingt. Aber David Coulters elektrische Violine kratzt darauf so Velvet-Undergound-mäßig monoton und betörend, dass es eine Freude ist.
Umso besser, dass die Züricher Künstlerin noch im Dezember mit ihrem neuen Album auch ins Waschhaus kommt, um den Potsdamern zu zeigen, wie gut Avantgarde-Jazz und Jodeln sich vertragen. Stuckys Hang zum Schrägen liegt vielleicht in ihrer Kindheit. Gut, das lässt sich über beinahe jeden Künstler sagen, aber ihr Kulturschock war schon ein besonderer: Geboren 1962 in San Francisco, zogen ihre Schweizer Eltern schon neun Jahre später mit ihr ins Oberwallis in die Schweiz zurück. Statt dem bunten Treiben der Hippies war dort das bunte Treiben des Trachtenvereins angesagt und auch musikalisch musste sich Erika Stucky neu orientieren: Von den Helden ihrer Kindheit, The Monkees, Nancy Sinatra und Donovan, stieg sie um auf das Trio Eugste und Jodelchöre. Ein Trauma? Vielleicht, aber eines, das sie kreativ verarbeitete: In den 1980er-Jahren absolvierte sie erst eine Jazz-Gesang- und eine Tanzausbildung in Paris, in San Francisco studierte sie dann Schauspiel. „Schauspieler inspirieren mich viel stärker als Musik“, sagt die Künstlerin – und das passt.
So musikalisch einfallsreich und ausgefeilt ihre Songs auch sind, ihre Stimme erzählt mehr. Die scheint alles aufzusaugen, was sie je gehört hat, vom Pygmäen-Jodel über Janis Joplin bis zu Meredith Monk. Und all das lässt sie dann lässig miteinfließen, anscheinend mühelos wechselt sie von Lautmalereien zu improvisierten Scats. Nie zu überhören ist ihre Vorliebe für Tom Waits, 2011 tourte sie sogar mit „Raindogs Revisited“. Diese Großformation von sieben Musikern, zusammengestellt von David Coulter (ja, der von The Pogues), interpretierten Tom Waits legendäres „Rain Dogs“-Album.
David Coulter ist übrigens neben Michael Blair, Knut Jensen und Terry Edwards ebenfalls auf „Black Widow“ zu hören, sie sind für die vielen Instrumente zuständig: Neben den Klassikern Bass, Gitarre und Schlagzeug sind da noch etwa Ukulele, Flügelhorn, Tuba und Glockenspiel im Einsatz. Erika Stucky selbst scheint vor allem kleine, bunte Instrumente zu schätzen, die auch gut in einen Zirkus passen würden: Eine rotes Mini-Akkordeon oder eine Ukulele trägt sie auf fast allen Fotos vor dem Bauch. Dabei ist die Stimme dieser Schweizer Schamanin gefährlich, wütend, witzig – alles andere als niedlich. Ariane Lemme
Erika Stucky, Montag, dem 30. Dezember, um 20 Uhr im Waschhaus. Der Eintritt kostet 18 Euro
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