Kultur: Johanna allein zu Haus
Putzmuntere Aufführung des Theaterjugendclubs am Hans Otto Theater
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Putzmuntere Aufführung des Theaterjugendclubs am Hans Otto Theater „Wenn ich groß bin, will ich fraulenzen!“, beschloss das Mädchen Johanna am Ende einer putzmunteren Aufführung des HOT-Theaterjugendclubs am Freitag, zugleich Titel eines Bühnenstückes von Lilly Axster. Aber warum will sie das? Die Mutter aus dem Off (Julia de Boor) hat sich mal wieder ob dienstlicher Pflichten verspätet, der Anrufbeantworter gibt eine unbekannte Stimme wieder, welche die Protagonistin Eva Zimmermann scheinbar beunruhigt. „Johanna, allein zu Haus“ hat Angst. So zumindest behauptet es der Programmzettel. Sie flieht in ihre Phantasie, wo plötzlich zwei verspielte und eine machtvolle Königin ihr spartanisches Zimmer erobern. Auch an einem sehr alerten und zivil gekleideten Frosch-Duo (Tammo Messow, Toni Peter) nebst güldener Zauberkugeln fehlt es nicht – die 1963 geborene Düsseldorfer Autorin wagte mit dem gar nicht einfach zu spielenden Stück eine Melange aus Traum und Wirklichkeit, aus Gegenwart und Märchen. Zur ständigen Begleitung der so herrlich gruftihaft aufgeputzten „Königin der Macht“ (Bonnie Böhme) gehört ein gehorsamer Spiegel der Wahrheit (Ina Walter), das Gegenstück zu der wenig funktionablen Puppe (Janine Schäferhoff) des Mädchens. Wie auch immer, die nach außen gestülpte Innenwelt Johannas bewirkt letztlich jenen Entschluss zum „fraulenzen“, welcher in der Inszenierung von Manuela Gerlach und Markus Laubach glücklicherweise alles Emanzipatorische außen vor lässt. Die Grundhandlung geht etwa so: Johanna erschafft in ihrer Kindsphantasie Figuren und Spiel zu Schutz und Trost, um letztlich etwas anzunehmen, was sie bei Königin C (Uta Heinevetter) und D (Julia Wieczorek) gesehen und für gut befunden haben muss. Nun mögen die hübschen Spiele im Spiel, Grufti-Königin mitsamt ihrem Spiegel, die herrlichen Frösche, welche durch Zufall dem boshaften Zauber der güldenen Kugeln entgingen, die so schlichte wie praktikable Ausstattung eines Wohnzimmers (Marek Hertel) eine märchenhafte Atmosphäre geschaffen haben, woran sich das Publikum wahrlich ergötzte. Wenn aber das Wichtigste in dieser Amateur-Inszenierung (Spielfassung des Theaterjugendclubs) fehlt, dann ist der schönste Spaß nur halb: Bei Johanna, Bergstraße 7, findet man weder genügend Angst, sich in ihrer üppigen Phantasie zu verkriechen, noch sieht man die eleganten Prinzessinnen jemals „fraulenzen“. Was ist das eigentlich? Überhaupt sprechen C und D ein Rotwelsch der ganz vornehmen Art: „Wir gansern uns panida und räupeln das galp“. Frosch 1 bestätigt diesen nie gespielten Vorgang: „Quak, jetzt räupeln sie das galp“ Versteht Johanna überhaupt dieses Damen-Argot, oder hört sie immer nur „Bahnhof“, wie das vergnügte Publikum, welches immerhin die Sitze bis zum Mittelgang ausfüllte? Bei Axster geht ja die Sonne „im Western“ auf und manchmal tut es Not, mit dem „Liffern“ aufzuhören, hinter „den 7 Berginnen bei den 7 Zwerginnen“. Ach, in dieser hübschen Inszenierung ist alles so leicht, doch manches ist einfach zu flockig. Wunderbar aber die über der Szene thronenden Musiker Lukas Fröhlich (Trompete, Flügelhorn), Marcin Lonak (Schlagzeug, Percussion) und Christian Schanz, Bass. Sie gaben den nicht immer erfassten Vorgängen Stimmung und Schönheit, oft mit apartem Tango-Klang, von Fröhlich selbst komponiert. Märchenhaft und liebevoll sind auch die Figuren dieses Spieles kostümiert. Man traf also allewege auf ganz zauberhafte Elemente: Einen Frosch umtreibt das Trauma, an die Wand geworfen und doch nur Frosch zu bleiben, Ina Walter zeigt mit viel Geschick, wie es einem „gesprungenen“ Spiegel ergeht – hier nun greift, gar nicht faul, Johanna in ihre Märchenwelt ein. Und wenn sie nicht gestorben sind, fraulenzen sie noch heute, galp. Gerold Paul
Gerold Paul
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