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Kultur: Kabale und Liebe zu Potsdam

Wanderchirurg, Balsamträger, Puppenkönig sind die namensklingenden Helden des Bestseller-Autors Wolf Serno. Nachdem er 1997 seine Werbebranche gegen den Schreib-Tisch vertauscht hatte, schrieb er „historische Romane“ fast wie vom Fließband, Gesamtauflage zwei Millionen.

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Wanderchirurg, Balsamträger, Puppenkönig sind die namensklingenden Helden des Bestseller-Autors Wolf Serno. Nachdem er 1997 seine Werbebranche gegen den Schreib-Tisch vertauscht hatte, schrieb er „historische Romane“ fast wie vom Fließband, Gesamtauflage zwei Millionen. Sein neuestes Buch, Mittelstück einer Trilogie, wurde am Donnerstag im „Internationalen Buch“, präsentiert. Leider kam nur ein gutes Dutzend Hörer zum Erstverkaufstag, was sehr schade war, denn „Das Spiel des Puppenkönigs“ ist nicht nur seriös recherchiert und spannend geschrieben, sein Schauplatz heißt auch noch Potsdam.

Neben „Friedrich dem Großen“, wie Serno den Alten nennt, hält der Hamburger weitere authentische Personen im Mord- und Liebesgeflecht dieses Buches bereit, seinen Leibarzt Selle, Madame de Chattemont, welche in ihrem Palais, jetzt Naturkundemuseum, für erwählte Herren ein „Collegium Artis“ zelebrierte, den Apotheker Harsleben oder einen Neffen von Quantz, nicht als Letzten. Sie geben kein „historisches Kolorit“, es sind Personen des Handelns in einem Spiel aus Liebe und Tod, wofür der Plögersche Gasthof oder die einsamen Gänge des Stadtschlosses ihre Kulisse spendierten.

Dort nämlich fällt dem jüdischen Protagonisten Julius Klingenthal ein Sterbender mit gelben Handschuhen in die Arme, nachdem ihn Friedrich durch seinen Gerechtigkeitssinn so beeindruckt hatte, dass er denselben seinen sechs lebensgroßen Puppen als siebte dazutat. Julius ist also Puppenspieler und Bauchredner (Ventriloquist), er weiß die Worte seiner Figuren - Magd, Burgfräulein, Schultheiß, Knecht, den immermüden Landmann, Soldat und Matrose – so zu lenken, dass sie von allen Seiten herzukommen scheinen. Wie er nun eigentlich ein Medicus sein wollte, freilich durch ärztliche Intrige gefällt, so steht ihm mit Alena eine ehemalige Karmeliterin und Klagefrau zur Seite, die obligatorische, aber sehr schöne Liebesgeschichte zum Buch um die giftig-gelben Handschuhe, um Kabale und Liebe in Potsdam. Sie ist in Mm. Chattemonts Haus angestellt, wo einige der honorigen Herren dergestalt sterben. Auch Alena steht schließlich zur Disposition – wer ist der Täter?

Wolf Serno kann nicht nur vorzüglich erzählen, seine Lesequalitäten sind desgleichen. Verflogen der Frust um den schwachen Besuch in der Ebert-Straße, das entzündete Publikum fragte ihn gehörig aus: So konzipiert er seine Sujets stets vorab, was Jahre beansprucht, das Schreiben liegt bei ihm dann unter einem Jahr. Etliche Elogen an ihn, dann gab er zurück: „Potsdam ist toll!“ Ja, Potsdam war toll, als Friedrichs Vorleser Charles Dantal real im Ständehaus verkehrte, die bösewichtigen Spione Katusow und Graf Søderborg aber nur im Geist ihres phantasiebegabten Autors, als Klingenthal seine lebhafte Puppenspiele auf dem Alten Markt gab und Fridericus wettmachte, was dessen Berliner Torsteher an dem Ventriloquisten (der historische Kern der Geschichte) verdarben: Knauserig mag er ja sein, aber ungerecht ist er nicht, urteilte er voller Ehrfurcht.

Der eigentliche Held aber ist der Autor. Wie sich in den Puppen sieben Seiten von Julius zu Wort melden, so ist Wolf Serno die Summe seiner Bücher. Nach dreißig Jahren mochte er nicht länger Werbetexte „für Zigaretten, Autos und Damenbinden“ machen. Er wollte fortan Puppenspieler, Mediziner, Kriminalist und Historiker sein, vielleicht die Wünsche seines Lebens. Was man in Händen hält, sind also nicht etwa „historische Romane“, sondern höchst gegenwärtige. So sollte man sie auch lesen. Gerold Paul.

Wolf Serno, Das Spiel des Puppenkönigs“, Droemer Verlag

Gerold Paul.

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