Kultur: Kammermusikalische Noblesse
„Klassik am Sonntag“ mit den Brandenburger Symphonikern im Nikolaisaal
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„Klassik am Sonntag“ mit den Brandenburger Symphonikern im Nikolaisaal Von Peter Buske Will sich ein Streicherensemble ins rechte Licht setzen, greift es neben vielen anderen passenden Kompositionen gern und oft zu Edvard Griegs Suite im alten Stil Aus Holbergs Zeit“ op. 40. Doch über den dänischen Komödienschreiber Ludvig Holberg, der in Bergen geboren wurde (1684), in Kopenhagen verstarb (1754), als Professor für Philosophie, Rhetorik und Geschichte wirkte und den man den nordischen Moliere@ nannte, schweigt meistens des Musikers Höflichkeit. Sollte man bei Aufführungen der Griegschen Hommage an den Lustspielschreiber diesen nicht einmal vorher zu Wort kommen lassen?! Etwa mit einer Szene aus der Komödie „Die Wochenstube“, wie kürzlich in einem Konzert des Preußischen Kammerorchesters unter Daniel Inbal in Prenzlau geschehen. Solcher interessanten programmdramaturgischen Möglichkeit begaben sich die Brandenburger Symphoniker bei ihrem „Klassik am Sonntag-Konzert im Nikolaisaal, das unter dem wenig adventlichen Motto „Aus alter Zeit“ stand. Auch wenn Clemens Goldberg in seiner gefälligen und informativen Moderation einige Worte zu dem Schriftsteller verlor, vermochten sie diesen nicht aus dem Dunkel der (Literatur)Geschichte ins helle Podiumslicht hervortreten zu lassen. Dafür entschädigte das Spiel der Musiker unter Leitung von Michael Helmrath, die Griegs raffiniert stilisierte Tanzsätze à la francaise (Moliere des Nordens!) mit hinreißender kammermusikalischer Noblesse aufführten. So weich und gefühlvoll, so schwelgerisch und tänzerisch beschwingt, in so zarte und pastellene Klangfarben gehüllt, hört man Holbergs Zeiten nur selten. Wie schön, dass die Brandenburger keine Scheu vorm romantischen Seelenschmachten haben. Solches emotional bewegte Musizieren zeichnete auch die gefühlvolle Wiedergabe des Concerto grosso C-Dur op. 3 Nr.12 von Francesco Manfredini (1684-1762) aus, das als „Pastorale per il Santissimo Natale“ bekannt geworden ist. Auch ohne die Strenge und vibratolose Schärfe der heutigen historisierenden Spielpraxis kann sich in watteweichen und kontrastarmen Klängen einer Hirtenmusik weltbewegendes Geschehen (die Geburt eines Knaben) voller inniger Empfindungen widerspiegeln. Über alle drei Sätze hinweg bestimmen wiegende Rhythmen die musikalischen Betrachtungen, die ihre salbungsvollen „Worte“ in rhetorisch schwebender Leichtigkeit ausbreiten. Ob des Kontrastarmutes vergaß das in beruhigenden Empfindungen schwelgende Publikum glatt den Schlusspunkt des Werkes und die fälligen Akklamation. Ein freundliches Zeichen des Dirigenten brachte die Konzertwelt mit ihren traditionellen Abläufen wieder in Ordnung. Gelangte bei Manfredini die Truhenorgel als Continuoinstrument zum Einsatz, war es in Georg Friedrich Händels Konzert für Harfe und Orchester B-Dur op. 4 Nr. 6 ein Cembalo, das dem virtuosen Zupfen der in München geborenen Solistin Ronith Mues flink assistierte. Das erst später für die Orgel adaptierte Werk erfuhr eine Darlegung, die sich im Grunde genommen als ein durchgängig kantabler Harfenmonolog erwies und dem Vorzeigen purer Virtuosität verweigerte. Zum feinfühligen, gedeckten, auf intime Wirkungen vertrauenden Orchesterklang gesellte sich der klare und brillante Ton der Solistin, die sich nicht nur bei den zart gezupften Passagen oder den vergnüglichen Echowirkungen als eine aparte Gestalterin auswies. Jenseits tradierter Interpretationsvorstellungen bewegte sich gleichfalls die Lesart der „Pulcinella“-Suite von Igor Strawinsky, einer karnevalesken Maskerade nach dem Vorbild von Pergolesi & Co. Diese ließ Michael Helmrath entgegen gegenteiliger Bemerkungen des Moderators nicht in modernistischer Schrägheit, sondern durchaus in barockisierender Hinwendung musizieren. So waren die vielfältigsten Stimmungen differenziert zur Geltung gebracht. Beseelt erklang die Serenata, prickelnd und präzise jauchzte die Tarantella, gravitätisch schritt die Gavotte im originellen Bläsergewand einher. Grotesk zeigte sich der „Vivo“-Disput zwischen Kontrabass und Posaune, sentimental das Menuett, das alsbald seine Widerhaken zeitigte. Hier lag das Ende eindeutig auf der Hand und in entsprechenden beifallserzeugenden Aktionen.
Peter Buske
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