Kultur: Kämpfer(in)
Birgid Hanke und ihr Buch über Eleonore Prochaska
Stand:
Am 7. Oktober 1813 wird auf dem St.-Annen-Friedhof im niedersächsischen Dannenberg Eleonore Prochaska bestattet. Es ist ein Begräbnis mit militärischen Ehren. Zwei Jägerbataillone der preußischen Armee geben der jungen Frau aus Potsdam, die als Mann verkleidet im Lützowschen Freikorps gegen Napoleons Truppen gekämpft hatte und in der Schlacht an der Göhrde bei Lüneburg durch einen Kartätschenschuss so schwer verwundet worden war, dass sie bald darauf ihren Verletzungen erlag, an diesem Morgen das letzte Geleit. Fortan wird Eleonore Prochaska als Heldin der Befreiungskriege, ja, sogar als „Potsdamer Jeanne d’Arc“ idealisiert. Verschiedene Dramen kommen zur Aufführung, Friedrich Rückert schreibt ein Gedicht, Ludwig van Beethoven komponiert 1815 zu Friedrich Dunckers Schauspiel „Leonore Prochaska“ eine Bühnenmusik. 1889 lässt der Magistrat von Potsdam auf dem Alten Friedhof zu Ehren der „Heldenjungfrau“ ein Denkmal errichten, und auch eine Tafel am Großen Waisenhaus, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht hat, erinnert noch heute an sie. Über ihr Leben allerdings ist nur wenig bekannt. Wer diese Frau war, was die am 11.März 1785 in Potsdam geborene Tochter eines Unteroffiziers persönlich dazu trieb, mit 28 Jahren unter dem Namen August Renz gegen Napoleon in den Krieg zu ziehen, weiß man nicht.
Eine Antwort darauf versucht Birgid Hanke nun in ihrem historischen Roman „Flamme der Freiheit“ (Droemer Knaur, 9,99 Euro) zu geben, das sie am morgigen Mittwoch in Potsdam vorstellt. Rund um die wenigen gesicherten biografischen Eckdaten flechtet die in Bremen lebende Autorin der Prochaska eine ausgedachte Vita, die sich als Erfolgsmärchen und Lovestory, aber auch als Emanzipationsgeschichte lesen lässt: Dank seiner hervorragenden Sopranstimme öffnen sich dem einfachen Mädchen aus Potsdam bald die Türen in eine bessere Welt. Mit 12 Jahren wird sie auf Schloss Sophienhof im Havelland in den Haushalt einer Gräfin Dorothea aufgenommen, wo sie professionelle Gesangsausbildung erhält und fast schwesterlich mit den Enkelinnen der Gräfin aufwächst. Später, als vielseitig begabte junge Frau, feiert Eleonore mit ihren Liederabenden vor adligem Publikum erste Erfolge, sogar Königin Luise und ihren Ehemann Friedrich Wilhelm III. nimmt sie auf Schloss Paretz für sich ein. Nach einer kleinen Romanze verliebt sich Eleonore jedoch unglücklich in Alexander, den Enkel der Gräfin, der mit einer anderen Frau verlobt ist. Jahrelang trübt dieser Kummer das Glück der aufstrebenden Sängerin, deren hoffnungsvolle Karriere jäh endet, als Napoleons Truppen vor den Toren Berlins stehen und überdies auch noch ihre geliebte Mäzenin, Gräfin Dorothea, stirbt. Von der Schwiegertochter aus dem Haus getrieben, kehrt Eleonore nach Potsdam zurück, wo sie sich nun als Köchin durchschlagen muss und neuen Lebensmut entwickelt. Bis ihr eines Tages Alexander wiederbegegnet.
Trotz des kitschigen Buchtitels und der bisweilen recht pathetisch geratenen fiktiven Biografie versteht es Birgid Hanke, eine gut recherchierte Geschichte zu erzählen. Darin wird vor allem die Lebenswelt des preußischen Adels sehr anschaulich beschrieben, spiegelt sich oft in den Gedankenreden und Dialogen der Romanfiguren die Geschichte wider und entsteht mithin ein recht stimmiges Bild der Zeit um 1800. Daniel Flügel
Lesung am morgigen Mittwoch um 19 Uhr im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Neuen Markt. Der Eintritt kostet 3 Euro
Daniel Flügel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: