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Kultur: Karriereschub im Neuen Palais

Der Architekt Franz Heinrich Schwechten ist in Potsdam durch Kriegsschule und Luisenhof vertreten

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Der Architekt Franz Heinrich Schwechten ist in Potsdam durch Kriegsschule und Luisenhof vertreten Von Erhart Hohenstein Am 26. September 1889 eilte der Architekt Franz Heinrich Schwechten ins Neue Palais. Er sollte dort seinen Entwurf eines Kreishauses für den Kreis Teltow allerhöchst absegnen lassen. Die erste persönliche Begegnung mit Kaiser Wilhelm II., der 1888 den Thron bestiegen hatte, sollte für den bereits 48-jährigen einen neuen Aufschwung seiner ohnehin erfolgreichen Karriere bringen. Wilhelm II. erkannte, dass der vielseitige, mit nahezu allen Baustilen spielende und seinen Auftraggebern gegenüber willfährige Architekt geeignet war, die von ihm geplanten Repräsentationsbauten zu entwerfen. Und so erhielt Schwechten Aufträge u.a. für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche und andere Sakralbauten in Berlin, das gewaltige Tor zur Dombrücke in seiner Geburtsstadt Köln und nicht zuletzt das Kaiserschloss in Posen als neoromanische Trutzburg. Der Architekt ist jedoch nicht auf diese wilhelminischen Repräsentationsbauten zu reduzieren, verdeutlichte der Bauhistoriker Dr. Wolfgang Jürgen Streich in einem URANIA-Vortrag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Von ihm stammen bedeutende Kulturbauten, Bürogebäude, Villen, Fabriken und Bahnhöfe, die vor allem in Berlin stadtbildprägende Wirkung hatten. Davon ist nicht viel geblieben: die Meisterleistung des Anhalter Bahnhofs nicht, nicht die romanischen Häuser an der Gedächtniskirche mit dem berühmten Literatencafé und auch nicht das für seine Vergnügungsstätten bekannte Haus „Potsdam“ (später Haus „Vaterland“ genannt) am Potsdamer Platz. Sie wurden im Krieg zerstört oder Anfang der 60er Jahre abgerissen. Potsdam hat jedoch eine der großen Arbeiten Franz Schwechtens bewahrt: die ab 1899 auf dem Brauhausberg entstandene Kriegschule, später Reichsarchiv. Hier hat er seine Vielseitigkeit überreichlich demonstriert: Der wie ein großes Landschloss über der Stadt stehende und in sie hineinwirkende Komplex zitiert Renaissance und Barock ebenso wie Klassizismus und englischen Cottagestil. Diese Mischung kennzeichnet Schwechten als Meister des Eklektizismus – aber eben nicht als Stümper, sondern als Meister, der die Elemente aus verschiedenen Stilepochen nicht willkürlich vermengte, sondern klar von einander abgrenzte. Die SED-Landes(später Bezirks-)leitung jedenfalls wusste die Monumentalität des Gebäudes zu schätzen, als sie es 1949 übernahm, konnte sie doch auch auf diese Weise ihren Machtanspruch demonstrieren. Sie ließ sogar die kriegsbeschädigten oder -zerstörten Flügel architektonisch angepasst wieder aufbauen. Der Volksmund sprach vom „Kreml“. Seit 1991 sitzt hier der Landtag und diskutiert seitdem unentwegt über die Notwendigkeit eines Neubaus an anderer Stelle. Gibt er allerdings den Komplex auf, drohen auf dem Brauhausberg Leerstand und Verfall. Das wäre ein einmaliges Negativbeispiel, denn die in Berlin erhaltenen Bauten Schwechtens werden nach Auskunft Wolfgang Jürgen Streichs fast ausnahmslos genutzt – von der „Kulturbrauerei“ an der Schönhauser Allee bis zu Gaststätte und Theater in einer der elektrischen Umspannstationen, die er in die Wohnbebauung einfügte. Und im Poznaner Kaiserschloss sitzt das Kulturzentrum „Zamek“, mit dem die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ausgehend von der vorjährigen Gemeinschaftsausstellung im Neuen Palais eng zusammenarbeitet. Eine Überraschung bot Streich den Schwechten-Kennern auch noch: Der Luisenhof in der Templiner Straße 21 stammt ebenfalls von dem 1924 im Alter von 83 Jahren verstorbenen Architekten. Der reiche Bierbrauer Broesike ließ die durch einen stattlichen, in der Spitze holzverkleideten Turm gekennzeichnete Villa errichten und benannte sie nach seiner Frau. Unter Denkmalschutz steht das später von einer Landwirtschaftsschule genutzte und heute der Lehrlingsausbildung dienende Gebäude nicht. Nicht erhalten ist die Schwechtensche Parkbrücke Klein Glienicke, die mit dem Bau des Teltowkanals entstanden war.

Erhart Hohenstein

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