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Kultur: Katholisch geprägte Klangpracht

Am Reformationstag: Orgelkonzert mit Thomas Sauer in St. Peter und Paul

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Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, wenn am Reformationstag der evangelischen Kirche ein Orgelkonzert in einem katholischen Gotteshaus (Propsteikirche St. Peter und Paul) stattfindet, während dieser Festtag im Gedenken an Luthers Thesenanschlag anno 1517 bei den protestantischen Jubilaren keinerlei kirchenmusikalische Widerspiegelung findet. Scheint dies eine Tradition zu werden? Standen in den vergangenen Jahren Werke von Bach (u. a. Luther-Choräle) sowie anderen mittel- und norddeutschen, dem evangelischen Glauben huldigenden Tonsetzern auf dem Programm, schloss das diesjährige Angebot jene Vertreter aus. Selbst eine vorgesehene Bach-Piece war der Abfolge entfernt.

Das gab dem Organisten Thomas Sauer von der St. Hedwigs-Kathedrale zu Berlin, die Möglichkeit, beim 7. Orgelkonzert von St. Peter und Paul mit ausschließlich klangprächtig-katholischen Werken in Erscheinung zu treten. Geradezu rauschhaft und überaus pedalgewichtig zeigt sich Introduction et Allegro der Orgelsonate d-Moll op. 42 von Alexandre Guilmant (1837-1911), die notengetreu auf seiner selbst bearbeiteten Symphonie für Orgel und großes Orchester basiert. Klangprächtig, mit fast imperialer Klanggeste breitet sich dieser erste Satz aus. Das melodienliebliche Pastorale spielt Sauer als verinnerlichten, weich und farbenprächtig mit Zungenstimmen kolorierten Gesang. In immerwährender Sechzehntelbewegung zeigt sich das Finale, das in seiner Motorik zum Prototyp der französischen Toccata avancierte. Wahrlich klangkörpergewaltig hört sich in schnarrenden Registern an, was als organo pleno wie ein Orchestertutti aus allen Rohren tönt.

Diesem Paukenschlag folgen – zum ausklingenden Mozart-Jahr – des Jubilars komplettes Orgelwerk: drei Kompositionen „für ein orgelwerck in eine uhr“, was nichts anderes als ein mechanisches Spiel-Zeug meint. Adagio, Allegro und Adagio f-Moll KV 594 diente als Trauermusik für das Mausoleum des österreichischen Feldmarschalls Laudon im Kunstkabinett des Grafen Deym in Wien. Drücken die Ecksätze die Trauer um den berühmten Heerführer aus, scheint der Mittelteil dessen militärischen Taten zu rühmen.

Was strukturell klar, mit gebührendem „Dreh-Moment“ in Noten gesetzt ist, geht in der nachhallreichen Akustik von St. Peter und Paul weitgehend verloren. Um dem Verschwimmen zu entgehen, nimmt Thomas Sauer das F-Dur-Andante KV 616 ziemlich rasch. Leicht artikuliert, ist ihm ein wenig der grobe, gassenhauerische Ton genommen.

Im vollen Werk erklingt die f-Moll-Fantasie KV 608. Scharfer, principalbestimmter Mixturenklang, akkordisch geschichtet, verleiht den einfachen Einfällen eine eindringliche Wiedergabe. Originell geben sich die Glockenklängen nachahmenden „Carillons“, deren rhythmische Zufälligkeiten viele Komponisten bis in die Gegenwart hinein zu pfiffigen Werken inspiriert haben, beispielsweise Johannes Wallmann mit seinem „GlockenRequiem Dresden“.

Quasi glöckchenbimmelnd und glockenschwingend zeigt sich das „Carillon“ von Henri Mulet (1878-1967); von geradezu mediterraner Leichtigkeit das „Carillon Orléanais et Toccata“ von Henri Nibelle (1883-1966). Celestaähnliche Register tragen zu diesem Eindruck bei.

Der durch Standuhren weltweit verbreitete viertönige Westminster-Gong bildet die Grundlage für das „Carillon de Westminster“ von Louis Vierne (1870-1937), dessen Effekte des An- und Abschwellens von tief gestimmten Glocken in der Akustik von St. Peter und Paul vorzüglich zur Geltung kommen konnte. Peter Buske

Peter Buske

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